Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Geschwindigkeit des Fremden anzupassen, und setzte sich vor Grimpow. Dieser näherte sich indessen dem Knappen, einem dunkelhäutigen jungen Mann, der sich damit begnügte, ihn gleichgültig zu mustern.
»Das ist tatsächlich mein Ziel und Euers ebenfalls, wie ich annehme, Herr...«
»Radogil, Radogil de Curnillonn. Und Ihr, wie heißt Ihr?«, fragte der Edelmann.
»Salietti de Estaglia, Enkel des Herzogs Iacopo de Estaglia.«
»Demnach seid Ihr ein Fremdling.«
»Ja, gebürtig im italienischen Piemont.«
»Das heißt, Ihr habt die hohen Berge der Alpen überquert, um am Turnier teilnehmen zu können?«
»Für einen vor Abenteuerlust und Entdeckungsdrang brennenden Ritter sind die Alpen nichts als Riesen, die es in erbitterten Schlachten zu schlagen gilt«, erwiderte Salietti.
Der edle Herr lachte laut auf. »Recht so, mein Lieber. Da Ihr schon von Abenteuern, Entdeckungen und Schlachten sprecht, so sagt mir doch, ob Ihr auch die Absicht hegt, in dem geplanten Kreuzzug anzutreten?«
»Als ich im Piemont aufgebrochen bin, hatte mich die Kunde dieses Krieges noch nicht erreicht, wenngleich ich unterwegs durchaus etwas über diesen Kreuzzug habe verlauten hören. Allerdings entziehen sich mir noch die Gründe, die diesen rechtfertigen sollen. Soweit ich erfahren habe, hat sich der Baron mit dem französischen König verbündet, um die flüchtigen Templer zu jagen, die in den Festungen von Herzog Ulf von Österberg und seinen Getreuen Zuflucht fanden. Oder täusche ich mich da?«, fragte Salietti.
»Pah! Leeres Gerede!«, rief da der Ritter verächtlich. »Der französische König weiß genau, was er fern seines prächtigen Pariser Palasts sucht. Trachtet er auch, seine wahren Beweggründe in den Winkeln seines verschlagenen Gemüts zu verbergen, so sind sie doch allseits bekannt. Er will die Burgen des Steinkreises dem Erdboden gleichmachen, genau wie vor sechs Jahren den Turm des Pariser Templergebiets. Er will sie ausplündern und darin nach dem Geheimnis der Tempelritter fahnden.«
»Aber das Geheimnis der Tempelritter ist doch nur eine Legende. Wer kann denn sagen, ob es sich tatsächlich in Herzog Ulf von Österbergs Festung befindet?«, fragte Salietti arglos. Er lockte sein Gegenüber immer weiter aus der Reserve, indem er so tat, als glaubte er nicht an die spannende Geschichte.
Der Ritter bewegte sich unruhig im Sattel seines Pferdes und schob die Scheide seines Schwerts auf der Kruppe des Tiers zurecht.
»Mein Lieber«, sagte er, »wenn jemand wie Jacques de Molay König und Papst ankündigt, sie würden binnen Jahresfrist sterben, so ist an dieser Drohung etwas Wahres dran.«
»Was, wenn der Großmeister der Templer diesen Fluch niemals ausgestoßen hat? In Zeiten wie den unseren sind die Leute geneigt, Geschichten von Zaubereien und schwarzen Künsten zu erfinden, an die sie dann selbst glauben, als wären sie bewiesen«, gab Salietti zu bedenken.
»Wenn Ihr etwas auf mein Wort gebt, dann könnt Ihr gewiss sein, dass jener Fluch wahr ist. Ich war selbst dabei, als auf dem Vorplatz von Notre-Dame auf der Insel der Juden in Paris am achtzehnten März der Scheiterhaufen gebrannt hat. Ich habe den Fluch mit eigenen Ohren gehört. Als alle Anwesenden jeden Augenblick damit rechneten, dass Jacques de Molay sein Leben aushauchte, da schrie er plötzlich: >Ich verfluche meine Mörder und verlange, dass sie binnen Jahresfrist vor dem Göttlichen Gericht Rechenschaft über ihre Verbrechen gegen den Templerorden ablegen !< Im Übrigen ist dieser Fluch teilweise schon in Erfüllung gegangen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, stammelte Salietti verstört, als er Radogil de Curnillonns Worte hörte.
»Gestern hat ein Bote den Edelmännern hinter uns die Nachricht überbracht, dass Papst Clemens V. vor wenigen Tagen unweit von Avignon verstorben ist.«
»Was sagt Ihr da?«, fragte der Herzog erschrocken.
»Ihr habt richtig vernommen. Zunächst hat der Papst sich unwohl gefühlt, dann verspürte er heftige Schmerzen, krümmte sich und spie schließlich Blut, als wären ihm die Eingeweide geplatzt.«
»Dann hat sich der Fluch also wortwörtlich erfüllt«, sagte Salietti bestürzt.
»Habt Ihr je daran gezweifelt?«, fragte der Ritter in geheimnisvollem Ton.
»Zu Verwünschungen, Zaubereien und Hexenkünsten habe ich in der Tat wenig Zutrauen«, gestand der Ritter nachdenklich.
Der Edelmann lachte abermals. »Mir geht es genauso, mein Lieber, ganz genauso. Und was den Papst getötet hat, das war auch kein
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