Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Herzog verständnislos an, dann wanderte sein Blick zu Grimpow hinüber, als wollte er ihn fragen, ob sein Herr noch ganz bei Trost sei.
»Nein, Herr«, antwortete er zögerlich. »Das einzige Gold, das ich je gesehen habe, ist das vom Siegel meines Herrn Barons und das der Geschmeide und Armreifen, welche die Burgdamen zu tragen pflegen.«
»Womöglich bekommst du als Lohn für deine Dienste gelegentlich eine Goldbohne von mir«, raunte Salietti Guival ins Ohr.
Der Diener zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen Dolch in den Rücken gestoßen. »Was habe ich zu tun?«, fragte er mit weit aufgerissenen Augen.
»Vorerst genügt es mir, wenn du mir sagst, ob vor einigen Tagen ein alter Mann mit seiner Tochter als Gefangener zur Burg gebracht worden ist.« Salietti kam unumwunden zur Sache.
Bevor er antwortete, ließ Guival den Blick durch den Raum schweifen, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete. »Ich weiß nicht, ob ich mit Euch darüber sprechen darf. Wenn meinem Herrn zu Ohren kommt, dass ich meine Zunge nicht im Zaum halte, dann schneidet er sie mir unverzüglich heraus und wirft sie seinen Hunden zum Fraß vor«, stammelte er erschrocken.
»Du kannst dich darauf verlassen, dass er nie davon erfahren wird. Ich schwöre es dir bei meiner Ritterehre«, beruhigte Salietti ihn.
»Der alte Mann und seine Tochter sind vor zwei Tagen hergebracht worden. Und glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass meine Augen nie eine schönere junge Frau erblickt haben«, erwiderte Guival.
»Sind die beiden ins Burgverlies gesperrt worden?«, fragte der Ritter weiter und lauerte gebannt auf die Antwort.
»Nein, mein Herr«, sagte der Diener stockend. »Der alte Mann traf schwerkrank hier ein. Man hat ihn im Wachtturm in eine Kammer gesperrt. Heute Nacht ist er gestorben. Am Morgen haben sie seinen Leichnam ins Beinhaus hinuntergetragen, gleich neben dem Verlies. Sie haben ihn ohne Totenmesse und Zeremonie einfach dort liegen gelassen wie den Leichnam eines Geächteten. Wenn man die Soldaten reden hört, dann war er ein Zauberer und Schwarzmagier.«
Diesmal fuhr Salietti zusammen wie von einem unsichtbaren Dolch durchbohrt. Obwohl er die Trübsal, die ihn bei dieser Nachricht überkam und die ihn in eine abgrundtiefe Melancholie versetzte, verbergen wollte, erkannte Grimpow am feuchten Schimmern seiner Augen, dass der alte Gandalf Labox für seinen Herrn kein Unbekannter gewesen sein konnte. Salietti verbarg ihm also doch etwas, wie er schon vermutet hatte, als sie bei ihrer Ankunft in Cornille mit dem Schmied gesprochen hatten.
»Weiß die Tochter, dass der alte Mann tot ist?«
»Ich glaube schon, denn seit heute Nacht ihr Vater verstarb, hat sie nicht aufgehört zu schluchzen.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Weynelle sitzt in einem Zimmer im Hauptturm hinter Schloss und Riegel. Mein Herr hat sich bei ihrem Anblick in ihre Schönheit verliebt, und vermutlich versucht er nun, ihr Herz zu gewinnen, obwohl sie seine Gefangene ist.«
Grimpow bemerkte abermals, wie ein Ruck durch Saliettis Herz ging.
»Werverwahrt den Schlüssel zu diesem Turmzimmer?«, fragte der Ritter voller Furcht.
»Der Baron, und zwar in einer kleinen Schatulle in seinem Salon.«
Salietti zog zwei Goldbohnen aus dem Beutel, den er unter dem Gürtel verbarg, und steckte sie dem Diener zu.
»Danke für deine Hilfe, Guival. Sieh zu, dass dich niemand damit erwischt, sonst wird man glauben, du hättest sie gestohlen. Ich werde deine Dienste sicher noch öfter benötigen.«
»Wenn Ihr mich braucht, schickt Euren Knappen mit einer Nachricht in die Stallungen. Ich stehe Euch dann sofort zu Diensten, mein Herr«, sagte der Diener frohgemut und entfernte sich unter unausgesetzten Verbeugungen.
Als Grimpow und Salietti wieder allein waren, richteten sie sich mit ihren Satteltaschen ein und wuschen sich Gesicht und Hände am Wasserkübel. Der Ritter zog sich aus, klopfte die staubigen Reisekleider ab und breitete sie über das Lager. Aus einer der Satteltaschen holte er frische Strümpfe, ein Hemd und ein vornehmes Wams, das sie in Ullense erstanden hatten. Dann zog er sich an, als ginge er zur feierlichen Ernennung eines Ritters.
»Ich glaube, du bist neulich nicht ganz aufrichtig zu mir gewesen. Wir haben uns doch in der Dachkammer der Schenke in Ullense geschworen, keine Geheimnisse voreinander zu haben«, sagte Grimpow ärgerlich.
Salietti reagierte überrascht auf die Worte seines Freundes, der sich in dem Saal als sein Schildknappe
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