Grimpow Das Geheimnis der Weisen
man Euch nichts Falsches erzählt«, befand der Baron überheblich.
»Ich hoffe, Ihr gestattet mir, mich Eurem Kriegsvolk anzuschließen.«
Der Baron näherte sich Salietti und legte ihm den Arm um die Schultern. »Selbstverständlich. Ihr seid unter meinen Rittern hochwillkommen und ich versichere Euch, dass die Troubadoure unseren Sieg auch dann noch besingen werden, wenn die Erinnerung daran längst verblasst ist. Doch bis hierher hat kein Wort von Euren Lippen das von Euch angekündigte lebhafte Interesse bei mir zu wecken vermocht«, sagte Fenio de Vokko hintersinnig.
Der Ritter verstand die Anspielung und beschloss, ohne weitere Umschweife zur Sache zu kommen. »Ihr habt recht, aber seid gewiss, der dritte Grund meines Besuchs wird Euch zur vollen Befriedigung gereichen. Zuvor wüsste ich gerne von Euch: Könnt Ihr mit dem Namen Drusus der Blutrünstige etwas anfangen?«
Der Baron zuckte merklich zusammen, versuchte es aber zu überspielen. »Was soll diese Frage?«
»Er hat mich im Wald von Opernaix überfallen und gefangen genommen.«
»Ihr habt Euch von diesem Strauchdieb und seinen Kumpanen ergreifen lassen?«
»Ein Schwert vermag wenig auszurichten gegen eine mit Pfeil und Bogen bewaffnete Bande Geächteter, die in ihren Verstecken nicht einmal zu sehen waren. Als Drusus aber erfuhr, dass mich die Reise zu Eurer Festung führte, gab er mir die Freiheit zurück, nachdem ich ihm geschworen hatte, Euch in seinem Namen um Vergebung für seine Untaten zu bitten.«
»Dieser Halunke ist nicht nur blutrünstig, sondern obendrein unverschämt! Er wagt es, mich um Vergebung zu bitten, nachdem er meinen Großvater ermordet hat? Jahrelang hat mein Vater versucht, seiner habhaft zu werden. Seit er tot ist, habe ich die Suche nach diesem Schurken fortgesetzt, um anstelle meines Vaters Rache zu nehmen«, sagte er betrübt und erbittert zugleich.
»Nun habt Ihr Gelegenheit zur Rache. Er denkt, dass er Euch beim Sturm auf die Burgen des Steinkreises nützlich sein könnte. Ihr könnt Drusus unter dem Vorwand, ihn begnadigen zu wollen, zur Teilnahme am Krieg berufen und, sobald ihr ihn in Händen habt, wie eine Siegestrophäe am höchsten Turm Eurer Festung aufhängen lassen«, versetzte Salietti mitleidslos.
Der Baron blieb in Gedanken versunken, ohne dass der Ritter wusste, ob er Drusus den Blutrünstigen für den geplanten Sturm auf die Burgen zu verwenden erwog oder sich genüsslich ausmalte, ihn hinzurichten.
»Lasst mich darüber nachdenken. Ich will die Entscheidung nicht überstürzen.«
»Ihr braucht ihm nur eine Nachricht in den Wald zu schicken, dann wird er Euch wenige Tage später demütig zu Füßen liegen. Ich habe meinen Schwur erfüllt, doch ehe ich gehe, möchte ich Euch noch ein Geschenk überreichen.«
»Ein Geschenk?«, fragte Fenio de Vokko mit wiedererwachter Neugier.
»Ich weiß von Eurer Leidenschaft für die Wahrsagerei und dachte, dass Ihr Gefallen daran haben könntet, diese Karten hier kennenzulernen. Sie sollen Euch gehören und vielleicht dazu dienen, ungünstige Pfade des Schicksals zu meiden«, sagte Salietti und zog das Kartenbündel unter seinem Wams hervor.
Als Fenio de Vokko nach den Karten greifen wollte, glitten sie Salietti scheinbar unabsichtlich aus der Hand und fielen zu Boden. Während sich der Baron bückte, um sie aufzusammeln, erging sich der Ritter in zahllosen Entschuldigungen, wobei er mit der einen Hand die Karten auflas und mit der anderen auf dem Tisch nach einer Schatulle tastete. Er fand sie, öffnete sie und suchte darin den Schlüssel zum Turmzimmer. Vergeblich.
Als alle Karten aufgehoben waren, betrachtete der Baron sie mit unverhohlener Neugier. »Seid Ihr ein Wahrsager?«, fragte er und bewunderte die Schönheit der Illustrationen.
»Die Gabe der Zukunftsdeutung besitze ich von Geburt an und seit meiner Jugend habe ich sie fortentwickelt«, erklärte Salietti und grinste ob dieses Schwindels in sich hinein.
»Wo sind die her?«, fragte der Baron knapp.
»Ich habe sie einem fliegenden Händler in Venedig abgekauft, als ich im vergangenen Herbst eine Reise dorthin unternahm. Der Mann hat mir auch ihre Bedeutung erklärt und mir erzählt, woher sie stammen. Offenbar hat er sie selbst mitsamt einer Pergamentrolle gefunden, die ihre Beschreibung enthielt. Das soll in einem fernen Land gewesen sein, wo er in den Ruinen einer Totenstadt nach den Grabgaben wühlte, mit denen man dort die Toten zu bestatten pflegte. Er versicherte mir, dass diese Karten
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