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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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nur einen einzigen Hinweis auf den gesuchten Mann zu bekommen.
    »Wenn dieser Aidor Bilbicum nicht mehr lebt, wie Salietti und du sagen, dann weiß ich nicht, wie ihr ihn finden wollt. Was ist, wenn ihn niemand kennt? Wenn keiner von ihm weiß?« Keuchend vor Erschöpfung, verlangte Jan eine Antwort von Grimpow.
    Sie kamen gerade von einem Apotheker, dessen Haus an einer Straßenecke am Münsterplatz gelegen war. Im Untergeschoss hatte es nach Safran und verbranntem Zinn gerochen, nach Arzneikräutern, Gewürzen, Salben und Elixieren wie im Laboratorium der Abtei Brinkum. Grimpow zweifelte keinen Augenblick daran, dass auch jener Apotheker ein Alchimist war, und hoffte, wenigstens er könnte ihnen mit irgendeinem Wink weiterhelfen. Dann würden sie endlich die Stimme der Schatten vernehmen, wie die Botschaft von Gandalf Labox besagte.
    Doch der Apotheker hatte mit dem Namen nichts anzufangen gewusst. Und damit nicht genug. Denn obwohl der Mann Jan Hinkebein seit vielen Jahren kannte, packte ihn mit einem Mal die Furcht, die Inquisition könnte den Gastwirt als Späher zu ihm gesandt haben, und er gab sich extrem wortkarg.
    »Wenn niemand etwas von ihm weiß, dann werden wir nie finden, wonach wir suchen«, sagte Grimpow.
    »Was sucht ihr denn, abgesehen von diesem Weisen?«, fragte Jan stirnrunzelnd.
    »Die Weisheit, Jan, die Weisheit«, erwiderte Grimpow.
    Mit aufrichtiger Bewunderung betrachtete er das großartige Straßburger Münster, an dem Hunderte von Lehrlingen, Gesellen und Baumeistern beschäftigt waren und soeben die Rosette an der Hauptfassade fertigstellten. Um diese ungewöhnliche, überwältigend schöne Kirche zu errichten, mussten komplexe Kenntnisse der Physik und atemberaubende mathematische Berechnungen umgesetzt werden, deren Geheimnis die Baumeisterlogen streng hüteten. Der Junge wusste, dass nur weise Männer, Architekten genannt, die Unterlagen einsehen durften.
    Auf dem Vorplatz des Münsters sprachen sie mit mehreren Steinmetzen, die große Steinblöcke behauten. Am Bauwerk selbst erhoben sich riesige Gerüste mit jeder Menge Seilen, Rollen und Führungen, um die fertigen Skulpturen bis zur zweiten Ebene oberhalb des Gewölbes hochzuhieven.
    Keiner der Anwesenden hatte je den Namen Aidor Bilbicum gehört, aber Grimpow bemerkte, dass ein jeder Steinmetz sein eigenes individuelles Zeichen in seinen Block meißelte, als machten sie ihr Werk mit einer persönlichen Signatur kenntlich. Einerseits erinnerten ihn diese Markierungen an die Schriftzeichen in dem Brief von Saliettis Vater, andererseits war er sicher, dass die Weisen des Ouroboros-Geheimbundes diese Hieroglyphensprache entwickelt hatten. Wahrscheinlich hatten sie das Alphabet auf verschiedene, von den Steinmetzen kopierte Schriftzeichen übertragen, sodass jeder Buchstabe einem bestimmten Zeichen entsprach. Grimpow fragte sich, ob die Weisen des Geheimbundes wohl in enger Verbindung zu den Erbauern der Kathedralen standen.
    Sie suchten auch das Kanalviertel auf, wo zahlreiche Wassermühlen ihre Schaufeln wie Riesenarme durch die Luft kreisen ließen, aber auch dort war nichts zu erfahren. Aidor Bilbicum war und blieb unsichtbar wie ein Gespenst.
    Die Nacht senkte sich schon über die Stadt, als sie den Rückweg zur Herberge antraten, um Weynelle und Salietti wiederzutreffen. Am Ufer eines schmalen Wassergrabens kam ihnen ein von Fackelträgern begleiteter Bestattungszug entgegen. Eine Gruppe Maskierter trug auf einem halb verfallenen hölzernen Katafalk ein Skelett, bedeckt mit schwarzen Seidentüchern, aus denen ein Totenschädel hervorschaute. Der ohrenbetäubende Lärm von Trommeln und Tamburinen begleitete die Teilnehmer der Prozession, denen eine große Schar Maskierter hüpfend, grölend und Fackeln schwenkend folgte.
    »Sie feiern die Hexennacht und tragen einen Monat nach der Tagundnachtgleiche das Skelett des Winters zu Grabe, um anschließend das fruchtbare Frühjahr begrüßen zu können«, sagte Jan.
    Er blieb stehen und betrachtete das lärmende Kommen und Gehen der Fackelträger und Maskierten, die tanzend um ihn herumsprangen. Grimpow vertiefte sich in das Schauspiel einer Gruppe tanzender Akrobaten, die an langen Ketten große brennende Feuerbälle wie kleine Sonnen auf ihrer Umlaufbahn herumwirbelten, und merkte nicht, dass sein Begleiter weiterging. Als er ihn dann suchte und auf Zehenspitzen über die Köpfe der Menge spähte, war Jan nirgends mehr zu sehen.
    In diesem Moment steuerte eine junge Frau auf Grimpow zu,

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