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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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Linderung zu verschaffen.
    Schubsend und stoßend bahnte er sich seinen Weg aus dem Getümmel und drang in die dunklen, einsamen Gassen ein, während er darüber nachsann, ob ihm nicht jemand eine Falle gestellt hatte, um sich seines Steins zu bemächtigen. In der ganzen Stadt nach Aidor Bilbicum zu fragen, war die einzige Möglichkeit gewesen, die ihnen in den Sinn gekommen war, um jemanden zu suchen, den es offenbar gar nicht gab.
    Allerdings hatten sie auf diese Weise auch laut hinausposaunt, dass sie den Stein besaßen und nach dem Geheimnis der Weisen suchten. Wenn es in Straßburg tatsächlich mehr Geheimbünde gab, als sie sich vorstellen konnten, dann hätte jeder ihre List durchschauen und versuchen können, ihnen den Stein mit genau demselben Trick zu entwenden. In der Stadt wimmelte es von Gaunern, die nur hätten behaupten müssen, sie wollten mit ihm über Aidor Bilbicum sprechen, um ihn in einen Hinterhalt zu locken und alles aus ihm herauszupressen, was er wusste.
    Mit diesen Überlegungen erreichte Grimpow das Portal des Münsters, das nur wenige an den Ecken des Vorplatzes brennende Fackeln beleuchteten. Er sah nach rechts und entdeckte die steinernen Skulpturen dreier stehender Frauen und eines Mannes. Das mussten die drei weisen Jungfrauen sein, von denen die Fremde gesprochen hatte. Er trat ans Tor und pochte dreimal hintereinander kräftig dagegen, wobei er dem Rhythmus seines aufgeregten Herzschlags folgte. Er wusste zwar nicht, was ihn im Münster erwartete, aber nun gab es kein Zurück mehr. Wenn er jetzt fortging, würde er vermutlich nie wieder Gelegenheit haben, die Stimme der Schatten zu vernehmen, und seine Suche nach dem Geheimnis der Weisen wäre für alle Zeiten unterbrochen.
    Mit einem rostigen Quietschen tat sich die Tür auf, ohne dass jemand darin erschienen wäre. Grimpow wartete einen Augenblick, dann steckte er den Kopf hinein und starrte in die Finsternis, die sich jenseits der Tür zu verdichten schien. Es deutete nichts daraufhin, dass dort jemand auf ihn wartete. Plötzlich sah er im Innern des Münsters ein schwaches Licht aufflammen und trat trotz seiner zitternden Knie entschlossen über die Schwelle. Ich hätte Salietti Bescheid sagen müssen, dachte er bei sich, obwohl die Warnung der Fremden eindeutig gewesen war: Ging jemand mit ihm oder folgte ihm, würde er denjenigen nicht mehr dort finden.
    Die kleine Flamme einer brennenden Altarkerze beleuchtete die Vierung mitten in der Finsternis des Mittelschiffs. Grimpow bewegte sich auf das Licht zu, bis sein Gesicht unter der hohen Kuppel des Münsters sichtbar wurde.
    »Wen suchst du?«, fragte eine Männerstimme aus dem Schatten, die in der Stille nachhallte.
    Endlich, dachte er beruhigt und zufrieden, endlich höre ich die Stimme der Schatten. Er blickte sich um, in dem vergeblichen Versuch, ihre Herkunft zu ergründen.
    »Ich suche Aidor Bilbicum«, sagte er schlicht.
    Wiederum erscholl die Stimme, die klang wie das verlängerte Echo seiner eigenen Worte. »Aidor Bilbicum lebt nicht mehr. Er ist schon vor Hunderten von Jahren gestorben.«
    »Das weiß ich«, bestätigte Grimpow.
    »Ich habe eigentlich mit Iacopo de Estaglia gerechnet.«
    »Iacopo de Estaglia ist letzten Winter in den Bergen unweit der Abtei Brinkum erfroren«, erklärte der Knappe nüchtern.
    Es herrschte einen Moment Stillschweigen, das Grimpow nutzte, um selbst eine Frage zu stellen. »Wer war die Frau, die mir gesagt hat, ich solle herkommen?«
    »Sie hat sich als Wahrsagerin ausgegeben, um in der Hexennacht unerkannt zu bleiben«, erwiderte die Stimme der Schatten und setzte ohne Unterbrechung hinzu: »Wozu willst du Aidor Bilbicum sehen?«
    »Ich habe eine Nachricht für ihn.«
    »Die kannst du ebenso gut mir mitteilen«, versetzte die Stimme, und Grimpow urteilte, dass die Stimme einem ehrbaren Greis gehörte.
    »Im Himmel sind das Dunkel und das Licht.«
    »Bist du etwa im Tal der Sonne gewesen?«
    »Ja, in der Krypta der Kirche von Cornille.«
    »Wie hast du das geschafft?«
    »Ich habe den Schlüssel zu dem Geheimnis über die Inschrift und über den Ouroboros gehalten.«
    »Und was dann?«
    »Dann hat sich der Sarkophag ohne Leichnam aufgetan, in dem die Geschichte ruht.«
    Grimpow wusste, dass die Stimme zu einem Menschen gehörte, der sein Antlitz nicht preisgeben wollte. Es war kein Gespenst, so viel stand fest, dennoch hätte er das leere Münster am liebsten auf schnellstem Wege wieder verlassen.
    »Hast du den Stein bei dir?«, fragte

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