Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Grimpow.
»Ja, das stimmt«, bestätigte Salietti.
Jan kraulte sich am Kinn. »Die Templer haben schon immer ganz gut über die Alchimie und die Alchimisten Bescheid gewusst. Wenn der Ritter, von dem ihr sprecht, ein Templer war, dann muss er gewusst haben, dass die Sonne auf deinem Wappen für das Gold steht und der Mond für das Silber. Am Ende kannte er sogar deinen Vater oder deinen Großvater. Immerhin hatte der verschwundene Templerorden überall auf der Welt seine Kontakdeute und Verbündeten. Deshalb ist es ja so schwer, ihn endgültig zu zerschlagen.«
»Was spricht man in der Stadt über den bevorstehenden Krieg?«, ließ sich nun Weynelle vernehmen.
»Weil er mit seiner Verwundung nicht selbst ausziehen kann, hat Fenio de Vokko gestern Ritter Valdigor de Rovol als Heerführer über seine Soldaten und Ritter beauftragt. Am heutigen Morgen brechen sie zu den Grenzen im Norden auf und noch heute Nacht sollen sie mit der Belagerung beginnen.«
»Sie können es kaum erwarten, den Burgen des Steinkreises die Schätze und Geheimnisse zu entreißen, wie der französische König es ihnen seinerzeit in Paris vorgemacht hat«, bemerkte Salietti.
»Bevor Fenio de Vokko und der König von Frankreich Herzog Ulf von Österbergs Festung einnehmen können, werden sie erst die getreuen Ritter der Burgen des Steinkreises überwinden müssen. Das dürfte ihnen allerdings nur schwerlich gelingen.«
Sie versanken alle in tiefes Schweigen, als schwebte unter der rauchigen Zimmerdecke der Schatten der Sorge über ihren Köpfen.
»Der Krieg hat also schon begonnen«, sagte Grimpow mit hängendem Kopf.
»Ja, das fürchte ich, mein Junge, und wir können so gut wie gar nichts dagegen unternehmen«, bestätigte Jan.
Salietti stand auf. »Lasst uns jetzt die Sache in Angriff nehmen, deretwegen wir hergekommen sind. Wir wollen denjenigen ausfindig machen, der nicht mehr ist, und die Stimme der Schatten vernehmen«, sagte er und verwendete exakt die Worte, die Gandalf Labox ihm in dem Buch des Gemeindearchivs von Cornille hinterlassen hatte.
»Ich merke schon, du sprichst auf dieselbe geheimnisvolle Weise wie dein verstorbener Vater«, schloss Jan lachend.
Sie fanden es zu gefährlich, sich gemeinsam in Straßburgs überfüllten Straßen zu bewegen, denn Jans Erkundigungen zufolge wusste bereits jeder in der Stadt, dass drei Reiter nach dem Mordanschlag aus Fenio de Vokkos Festung geflohen waren. Es war ebenfalls bekannt, dass es sich dabei um eine bildschöne Dame, einen italienischen Ritter und den dazugehörigen jungen Knappen handelte.
Deshalb beschlossen sie, zu zweit loszuziehen und sich die Stadt aufzuteilen. Salietti und Weynelle übernahmen das Viertel der Handwerker und Kaufleute, während Grimpow und Jan die Plätze absuchen und auf der Baustelle des neuen Münsters mit Maurermeistern und Steinmetzen sprechen wollten. Außerdem hatten sie vor, ein paar Alchimisten zu befragen, die Jan in der Gegend bei den Kanälen kannte.
Die Stimme der Schatten
S traßburg hatte nichts von seiner ursprünglichen Majestät und seinem Glanz eingebüßt, obwohl es schon mehr als einmal in Erbfolge- und Grenzstreitigkeiten durch Plünderungen und Brände verwüstet worden war. Die Stadt erhob sich im Winter aus dem dichten Nebel über dem Fluss, der sie teilte und dessen Ufer bis zu den Stadtmauern von einer langen Zeile schiefergedeckter Fachwerkhäuser gesäumt waren. Die Mauern wurden von drei riesigen Türmen beherrscht, die wie Wächter über der sich verzweigenden Ill aufragten. Über die Kanäle spannten sich zahlreiche Brücken, auf denen von morgens bis abends Reittiere und Fuhrwerke verkehrten, denn tagein, tagaus kamen Händler von den entlegensten Dörfern in die Stadt, um auf den Märkten und Messen ihre Waren zu verkaufen.
Zwei Tage lang durchstreiften Salietti und Weynelle Straßburg unermüdlich von Norden bis Süden und von Osten bis Westen. Sie besuchten das Viertel der Gerber, der Goldschmiede, der Schreiber, der Schmiede, der Weber, der Schreiner, der Schuster und der Juweliere. Jeden Mann und jede Frau, die ihren Weg kreuzten, fragten sie nach Aidor Bilbicum. Aber sie ernteten nur finstere, misstrauische Blicke und immer wieder ein entschiedenes Kopfschütteln, in einigen Fällen sogar mit einer Spur Verachtung und Grobheit. Alle Menschen schienen beim Klang dieses Namens entweder zusammenzufahren oder um ihre Haut zu fürchten, wenn sie mit Fremden sprachen.
Jan und Grimpow gelang es genauso wenig, auch
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