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Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Abalos
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unseren Deutungen ganz richtig gelegen, aber du könntest trotzdem recht haben. Erinnere dich an die versiegelte Kammer und den Spruch TEMPUS ET VITA, TEMPUS ET MORS, die sich als tödliche Falle herausgestellt haben«, warf Grimpow ein. Nach kurzem Schweigen setzte er hinzu: »Es kann natürlich auch sein, dass es sich bloß um eine Bildunterschrift handelt, eine Laune des Bildhauers, um die Neugier des Betrachters zu wecken. Im Straßburger Münster habe ich zugesehen, wie die Steinmetze ihre Arbeit mit Schriftzeichen, ihrem Namen oder irgendwelchen für sie bedeutsamen Symbolen gekennzeichnet haben, die sonst niemand lesen konnte.«
    »Lasst uns erst noch zu dem Teufel gehen, von dem ich euch erzählt habe. Wenn dort nichts zu finden ist, können wir ja zurückkommen und versuchen, das Rätsel hier zu lösen«, beendete Weynelle mit ihrer vernünftigen Art die Beratung.
    Schweigend führte sie ihre Freunde in einen allen Blicken verborgenen Winkel, wo auf einem Stein ein kleiner Teufel mit vorspringenden Augen, platter Nase und einem unverhältnismäßig großen Mund stand. Sein Gesicht hätte komisch wirken können, wenn da nicht diese Beklemmung gewesen wäre, ihm geradewegs in die Augen zu sehen.
    »Da habt ihr ihn. Vielleicht ist er das«, sagte Weynelle erschauernd.
    »Was jetzt? Die Figur rührt sich nicht. Wie sollen wir ihr da entgegentreten?«, fragte Salietti scherzhaft und umklammerte den Schaft seines Schwerts.
    »Vielleicht ist die Begegnung mit ihm eher im übertragenen Sinn gemeint«, erklärte Weynelle.
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, bestätigte Grimpow.
    »Ich glaube, ihr solltet das lieber ohne mich herausfinden. Ich bleibe da vorne und passe auf, dass euch niemand dabei stört«, sagte Salietti, ehe er sich ein paar Schritte von ihnen entfernte.
    »Es ist nur so eine Idee, aber ich glaube, wir müssen ihn überwältigen und von der Stelle bewegen«, überlegte Grimpow.
    »Das klingt gar nicht so falsch«, stimmte Weynelle ihm zu. »Jetzt müssen wir nur noch ausmachen, wer von uns beiden diesem Teufel entgegentreten soll.«
    »Lass mich das tun«, bat Grimpow. »Wenn es mir gelingt, dann kann ich vielleicht einige Ängste ablegen, die mir immer wieder zu schaffen machen, seit ich den Stein gefunden habe«, sagte Grimpow.
    Weynelle gab sich mit einer Geste einverstanden, und der Junge ging zögerlich auf die steinerne Figur zu, als fürchtete er, sie könne plötzlich zum Leben erwachen. Zögerlich streckte er die Hand aus und tastete das kalte Anditz des Teufels ab, um sich zu vergewissern, dass er nur einem von Menschenhand erschaffenen Schrecken entgegentrat, einem Trugbild also. Dann ging er noch näher heran und umschlang den Teufel mit beiden Armen wie beim römischen Ringkampf. Er presste ihn mit aller Kraft an sich und ruckelte an der Statue, als wollte er ihr die Glieder brechen. Plötzlich knackte es laut und Grimpow ließ von der Skulptur ab. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, bis der Teufel ihnen den Rücken zukehrte. Aber wo zuvor seine Füße gestanden hatten, erschien nun ein gleichmäßiges, in den Stein gemeißeltes Quadrat mit scheinbar wahllos angeordneten Buchstaben.

    »Die letzten Worte sind wieder ein Rätsel!«, rief Weynelle begeistert.
    »Das haben wir gleich entschlüsselt«, sagte Grimpow mit neuem Mut, nahm das Stück Pergament und den Kohlestift aus der Satteltasche und ergänzte seine übrigen Aufzeichnungen um die Buchstaben aus dem Quadrat.
    Salietti konnte es kaum glauben, dass sie tatsächlich so schnell so weit gekommen waren. Gleichzeitig ließ er sich aber seinen Verdruss anmerken, dass sie schon wieder ein Rätsel lösen mussten, bevor sie die Säulen des Übergangs endlich durchschreiten und sich ins Labyrinth begeben konnten, um dort die Saat auszubringen und am Ende ihrer Suche die Blume erblühen zu sehen.
    Auch Grimpow und Weynelle wussten nicht, welche Richtung ihnen die letzten Worte weisen würden, hofften aber, darin endlich den Schlüssel zu dem Ort zu finden, an dem das Geheimnis der Weisen versteckt lag. Sie blieben in der Kathedrale und ließen sich auf einer Bank vor der Kapelle einer schwarzen Madonna nieder. Die beiden brachten ihre gesamte Vorstellungskraft auf, um jenes rätselhafte Quadrat zu verstehen, während Salietti darauf achtete, dass niemand in ihre Nähe kam.
    Geraume Zeit wandten sie die Augen nicht von dem scheinbar willkürlichen Buchstabengewirr ab, bis Grimpow als Erster ein vollständiges Wort in dem

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