Grimwood, Ken - Replay
Dinge das erste Mal erlebte. Die Unaufrichtigkeit war vollkommen hinter der Glut der neuentdeckten Gefühle, des naiven, doch unwiderstehlichen sexuellen Hungers verborgen gewesen. Was einmal wundersam erotisch erschienen war, stand jetzt in all seiner fundamentalen Billigkeit entblößt da, ungetrübt durch die zeitliche Distanz: ein rasches Abwichsen auf dem Vordersitz eines Chevrolet mit schlechter Musik im Hintergrund.
Was, zum Teufel, sollte er jetzt tun, einfach mitspielen? In weiteren Sessions von schwerem Petting schwelgen, mit einer kleinen Blondine aus einer anderen Zeit, die noch nie von der Pille gehört hatte? Wieder Vorlesungen besuchen und zu Diskussionen mit Jugendlichen und Frühlingsbällen gehen, als wäre das alles neu für ihn? Statistische Tabellen auswendig lernen, die er längst vergessen hatte und die ihm nie von Nutzen gewesen waren, damit er in Soziologie mit Auszeichnung abschnitt?
Vielleicht hatte er gar keine gottverdammte Wahl, nicht wenn sich dieser unglaubliche, groteske Zeitsprung als dauerhaft herausstellte. Vielleicht würde er wirklich alles noch einmal durchmachen müssen, ein quälendes, vorhersagbares Jahr nach dem anderen. Diese alternative Realität wurde zusehends konkreter, verfestigte sich immer mehr. Jene andere Persönlichkeit von ihm war jetzt die falsche. Er mußte die Tatsache akzeptieren, daß er ein College-Erstsemester war, achtzehn Jahre alt, total abhängig von seinen Eltern und seiner Fähigkeit, ein Dutzend akademischer Kurse, die bei ihm inzwischen Verachtung und unendliche Langeweile hervorriefen, erfolgreich zu wiederholen.
Die Fernsehnachrichten waren vorüber, und ein Sportmoderator leierte eine Liste der Baseballergebnisse der AA-Liga herunter. Jeff bestellte einen weiteren Drink, und als der Barkeeper das neue Glas brachte, heftete sich Jeffs Aufmerksamkeit plötzlich mit laserartiger Intensität an jedes einzelne Wort, das aus dem alten Sylvania drang.
»…kommen ungeschlagen nach Churchill Downs und haben zwei Grünschnäbel aus dem Osten dabei, die dem Kalifornischen Braunen auf die Sprünge helfen könnten. Trainer Woody Stephens führt Never Bend frisch nach einem ordentlichen Sieg bei der Stepping Stone Vorrunde und mit guten Leistungen für das Jahr ‘63 in das Derby; Stephens will nicht so weit gehen, einen Sieg vorauszusagen, aber…«
Das Kentucky Derby. Warum nicht, verdammt noch mal? Wenn er die nächsten fünfundzwanzig Jahre wirklich durchlebt hatte, anstatt sie sich auszudenken oder von ihnen zu träumen, dann war eines klar: Er verfügte über einen riesigen Vorrat an Informationen, die ihm von höchstem Nutzen sein konnten. Nichts Technisches – er konnte keinen Computer entwickeln oder etwas in der Art –, aber er besaß eine gewisse Berufserfahrung, das Wissen eines Journalisten um die Trends und Ereignisse, welche die Gesellschaft von jetzt an bis zur Mitte der achtziger Jahre beeinflussen würden. Er konnte eine Menge Geld machen, indem er auf Sportereignisse und Präsidentschaftswahlen Wetten abschloß. Vorausgesetzt natürlich, daß er tatsächlich konkrete und zutreffende Kenntnis davon besaß, was sich im Verlauf des kommenden Vierteljahrhunderts ereignen würde. Wie er bereits erfahren hatte, war dies nicht notwendigerweise eine verläßliche Annahme.
»…nicht weit zurück. Das Pferd, das wirklich das Tempo vorgeben könnte, ist No Robbery aus dem Greentree-Stall, das zwei Rekorde hält, mit 1:34 über die schnellste Meile, die je von einem Dreijährigen in New York gelaufen wurde… und das den Wood Memorial gewonnen hat, eine Woche nachdem es aufgestellt wurde…«
Mist, wer hatte das Derby in diesem Jahr gewonnen? Jeff versuchte sich zu erinnern. Der Name Never Bend ließ, im Gegensatz zu No Robbery, zumindest eine entfernte Glocke läuten; aber es hörte sich noch nicht richtig an.
»…beide zeigen gegenüber dem Team von Willie Shoemaker und dem Wunder des Westens, Candy Spots, ansteigende Form. Diese Kombination muß erst einmal geschlagen werden, Leute; und obwohl es so aussieht, als würde es zwischen diesen dreien zu einem aufregenden Kopf-an-Kopf-Rennen kommen, ist die Mehrheit – und es ist eine starke Mehrheit – der Meinung, daß an diesem Samstag Candy Spots den Siegerkranz davontragen wird.«
Das hörte sich ebenfalls nicht richtig an. Welches Pferd war es? Northern Dancer? Oder vielleicht Kauai King? Jeff war sicher, daß diese beiden Derbies gewonnen hatten; doch in welchem Jahr?
»Moment mal,
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