Grimwood, Ken - Replay
die reine Tatsache hinausging, daß sie noch ein Teenager war. Mädchen – Frauen – ihres Alters sahen in den achtziger Jahren nicht so aus, wurde ihm klar. Sie waren einfach nicht so jung, so unschuldig; waren es seit den Tagen von Janis Joplin nicht mehr und bestimmt nicht in der Nachfolge von Madonna.
»So«, sagte Judy. »Ich freue mich, daß du es heute abend geschafft hast.«
Jeff erhob sich unbeholfen, schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. »Tut mir wirklich leid wegen gestern abend«, sagte er. »Ich… hab mich nicht besonders gut gefühlt; ich war in einer komischen Stimmung. Du hättest mich nicht um dich haben wollen.«
»Du hättest anrufen können«, sagte sie gereizt. Sie hatte die Arme unter ihren Brüsten verschränkt, wodurch sie diese züchtigen Schwellungen unter der Peter-Pan-Bluse betonte. Ein beiger Kaschmirpullover war um einen Arm geschlungen, und sie trug einen Madrasrock und Schuhe mit Fesselriemen und niedrigen Absätzen. Jeff nahm die vermischten Gerüche von Lavin-Parfüm und einem Shampoo mit Blumenduft wahr und stellte fest, daß ihn die blonden Fransen, die über ihren großen blauen Augen tanzten, in Entzücken versetzten.
»Ich weiß«, sagte er. »Ich wünschte, ich hätte es getan.«
Ihr Gesicht entspannte sich, die Konfrontation war vorüber, ehe sie begonnen hatte. Sie hatte nie lange böse sein können, erinnerte sich Jeff.
»Du hast gestern abend einen wirklich guten Film verpaßt«, sagte sie ohne eine Spur von Verdrossenheit. »Er fängt damit an, daß dieses Mädchen in einer Tierhandlung diese Vögel kauft, und dann tut Rod Taylor so, als arbeitete er da, und…«
Sie fuhr fort, den größten Teil der Handlung nachzuerzählen, wahrend sie nach draußen gingen und in Jeffs Chevy einstiegen. Er täuschte Unwissenheit gegenüber den Wendungen der Geschichte vor, obwohl er den Film kürzlich in einer der periodischen Hitchock-Retrospektiven von HBO gesehen hatte. Und natürlich hatte er ihn gesehen, als er das erste Mal gelaufen war, zusammen mit Judy. Vor fünfundzwanzig Jahren gestern abend, in jener anderen Version seines Lebens.
»…und dann geht dieser Typ sich an dieser Tankstelle eine Zigarre anzünden, aber… also, ich will dir nicht alles erzählen, was dann noch passiert; es würde dir die Spannung verderben. Es ist ein wirklich schauriger Film. Es würde mir nichts ausmachen, ihn noch mal zu sehen, wenn du Lust hast. Oder wir könnten uns Bye Bye Birdie ansehen. Wozu hast du Lust?«
»Ich glaube, ich würde lieber nur irgendwo sitzen und reden«, sagte er. »Irgendwo ein Bier trinken, vielleicht einen Happen essen?«
»Klar.« Sie lächelte. »Moe’s und Joe’s?«
»Okay. Das liegt… auf der Ponce DeLeon, richtig?«
Judy hob eine Braue. »Nein, das ist das Manuel’s. Erzähl mir nicht, du hast es vergessen – fahr hier links, gleich hier!« Sie drehte sich auf ihrem Sitz herum und schenkte ihm einen merkwürdigen Blick. »Hey, du verhältst dich wirklich irgendwie komisch. Stimmt etwas nicht?«
»Nichts Ernstes. Wie ich dir gesagt habe, ich fühl mich ein bißchen kaputt.« Er erkannte den Eingang zum alten College-Treffpunkt wieder, parkte um die Ecke.
Im Innern sah es nicht ganz so aus, wie Jeff es in Erinnerung hatte. Er hatte geglaubt, die Bar befände sich links, wenn man durch die Tür hereinkam, nicht rechts; und die Sitznischen wirkten ebenfalls irgendwie verändert, höher und dunkler oder etwas in der Art. Er geleitete Judy zu einer Sitzecke an der Rückseite, und als sie sich ihr näherten, schlug ein Mann in seinem eigenen Alter – nein, verbesserte er sich, ein Mann Anfang Vierzig, ein älterer Mann – Jeff freundschaftlich auf die Schulter. »Jeff, wie geht’s? Wer ist deine reizende junge Freundin?«
Jeff sah dem Mann verständnislos ins Gesicht: Brille, graumelierter Bart, breites Grinsen. Er wirkte von ferne vertraut, aber nicht mehr.
»Das ist Judy Gordon. Judy… äh, ich möchte dich bekanntmachen mit…«
»Professor Samuels«, sagte sie. »Meine Zimmergenossin hat Sie in Literatur des Mittelalters.«
»Und sie heißt?« »Paula Hawkins.«
Das Grinsen des Mannes wurde noch breiter, und er nickte zweimal. »Ausgezeichnete Studentin. Eine sehr intelligente junge Dame, diese Paula. Ich hoffe doch, mein Kurs schneidet gut ab?«
»Oh, ja, Sir«, sagte Judy. »Paula hat mir alles über Sie erzählt.«
»Dann werden Sie uns im Herbst vielleicht auch mit Ihrer reizenden Gegenwart beehren.«
»Das kann ich noch
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