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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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zum zweiten Mal innerhalb einer Woche …

7

    Pat saß auf dem Sofa. Die 9mm hatte er neben sich auf den Beistelltisch gelegt. In der Hand hielt er ein vor Blut triefendes Tuch. Er lehnte sich zurück und atmete lange aus, als sei er erst jetzt in der Lage, sich zu entspannen. Sein Gesicht war sauber, sodass Karen sein skeptisches Stirnrunzeln wieder erkannte.
    »Sieht nicht so aus, als hättest du dich geschnitten oder so«, bemerkte sie lächelnd.
    Pat schaute sie ausdruckslos an.
    »Er hat versucht, mich zu beißen«, entgegnete er. »Hast du das nicht gesehen?«
    Wäre sie völlig offen gewesen, hätte sie ihm ihre Angst davor gestanden, er könne tatsächlich gebissen worden sein. Erst kürzlich hatte sie zur Vorbereitung auf einen Job als Jugendbetreuerin in ihrer Kirche einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Daher wusste sie, dass die Ansteckungsgefahr bei einem Biss besonders groß war. Hätte das Ding seine Zähne in sein Fleisch getrieben, wäre er unumstößlich infiziert gewesen. Das führte ihr vor Augen, wie abhängig sie von dem Mann geworden war, der ihr gegenüber auf dem Sofa hockte, seine störrische Ader hin oder her. Karen vermutete, dass er nicht begriffen hatte, zu was die Toten fähig waren, und dass seine Theorien nach der letzten Begegnung komplett über den Haufen geworfen worden war. Jemandem wie Pat – einen Mann, der sich verbissen an seine eigenen Dogmen und Glaubensrichtlinien hielt, auch wenn es hart auf hart kam – musste das Eingeständnis eines Fehlers wie ein Offenbarungseid vorkommen.
    Dies aber war nicht Karens einzige Vermutung.
    » Hast du gesehen, wie ich es erschossen habe?«, rief sie aufgeregt wie ein junges Mädchen kurz vor einer Achterbahnfahrt. Ihr Herz klopfte, allerdings nicht vor Angst. Sie kam sich stark vor und überlegen, als könne sie die Welt im Sturm nehmen. Da fielen ihr die Comics ihres Bruders ein, damals als sie beide noch klein waren. Weibliche Superhelden hatten sie seit jeher begeistert. Die kämpften in hochgeschlossenen Stiefeln und extrem sexy Outfits gegen das Verbrechen. Oft band sich Karen ihre Jacke wie ein Cape um den Hals und schlüpfte auf dem Spielplatz in ihre Rollen. Während die gleichaltrigen Mädchen Seilspringen bevorzugten, tobte sie als Superheldin mit den Jungs herum.
    »Klar hab ich das«, versicherte Pat mit einer Spur von Bewunderung im Gesicht. Sie wusste, er kam nicht umhin, dies anzuerkennen, denn immerhin hatte sie sein Leben gerettet. »Du hast toll reagiert heute«, fuhr er fort. »Wirklich fabelhaft.«
    Karen strahlte, suhlte sich in dem Lob, so sehr er auch damit geizte. Aus dem Mund eines Typen wie Pat, der so wortkarg war, wirkte es sogar nachhaltiger. Dann dachte sie über das Wort an sich nach: Lob. Was bedeutete es wirklich? In der Kirche gebrauchte man es inflationär. Der Herr wollte für seine Großtaten den Menschen gegenüber und alles, was er ihnen geschenkt hatte, gelobt werden. Doch wenn Karen in sich hineinhorchte, musste sie zugeben, dass die Worte, die sie gesungen hatte, für sie persönlich ohne Bedeutung geblieben waren. Sie blickte zurück auf die vermeintliche Lobpreisung jeden Sonntagmorgen und ihre Altersgenossen damals, die scheinbar aufrichtig die Arme reckten, die Augen schlossen und dieses Lob geradezu ausschütteten, indem sie entweder weinten, lächelten oder lauthals lachten. Karen selbst war dazu nicht fähig und hatte sich dabei als Heuchlerin betrachtet; es entsprach schlichtweg nicht ihrem Gemüt, um ehrlich zu sein.
    Nun hob sie die Waffe – ihre Pistole – und spielte damit herum, während sie durch die Küche ging, etwa um ihr Spiegelbild anzuvisieren, das das Fenster im Kerzenschein reflektierte. Pat hatte ihr erklärt, es sei eine 9mm. Sie inspizierte den Kolben und las das Wort schließlich auch auf dem pechschwarzen Metall neben dem Kürzel USP. Universale Selbstladepistole. Sie nahm sich vor, den Ballermann wirklich sauber zu halten und zu polieren, damit er stets wie neu aussah.
    »Obacht«, warnte Pat. »Ist kein Spielzeug.«
    » Keine Sorge, ich hab sie gesichert«, beschwichtigte sie mit einem Wink und zeigte auf die Verrieglung, als wolle sie sagen: Sieh her, ich bin jetzt ein ausgefuchster Profi.
    »Egal. Sei einfach vorsichtig«, erwiderte er brummelnd wie ein alter Mann, als den man ihn ja durchaus betrachten konnte.
    Mit der Waffe in der Hand wuchs Karen über sich hinaus, genauso wie die Leute in der Kirche. Es kam ihr vor, als schlösse sie allmählich zu Pat auf und

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