Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)
»Ihr Ehemann tut mir leid.«
»Nicht wird heiraten«, sagte Botkin, als Tamar einen glücklosen Inferni zu Boden schleuderte.
»Warum nicht?«, fragte ich überrascht.
»Nicht sie. Nicht Bruder auch«, sagte der Söldner. »Beide wie Botkin. Für Schlacht geboren. Für Krieg.«
Drei Korporalki stürzten sich auf Tolja. Sekunden später lagen alle stöhnend auf dem Boden. Ich musste an Toljas Worte in der Bibliothek denken – dass er nicht geboren worden sei, um dem Dunklen zu dienen. Wie viele andere Shu hatte auch er beschlossen, als Söldner und Freibeuter durch die Welt zu ziehen. Nun war er im Kleinen Palast gelandet. Wie lange würden er und seine Schwester bleiben?
»Ich mag sie«, sagte Nadja mit einem wehmütigen Blick auf Tamar. »Sie ist furchtlos.«
Botkin lachte. » Furchtlos ist anderes Wort für dumm .«
»Daf würde ich ihr nicht inf Geficht fagen«, quetschte Sergej hervor, während Marie seine Lippe vorsichtig mit einem feuchten Tuch abtupfte.
Ich ertappte mich bei einem Lächeln und wandte mich ab. Ich hatte nicht vergessen, wie die drei mich im Kleinen Palast aufgenommen hatten. Sie hatten zwar nicht zu jenen gehört, die mich als Hure beschimpft und versucht hatten, mich loszuwerden, aber da sie mich auch nicht verteidigt hatten, wollte ich keine Freundschaft heucheln. Außerdem wusste ich in ihrer Gegenwart nicht, wie ich mich verhalten sollte. Wir waren nie eng miteinander gewesen und unser unterschiedlicher Rang stellte jetzt eine unüberbrückbare Kluft dar.
Genja wäre das egal , schoss es mir durch den Kopf. Genja hatte mich gekannt. Wir hatten gelacht und sie hatte sich mir anvertraut, und weder eine prächtige Kefta noch ein Titel hätten sie davon abgehalten, mir offen die Meinung zu sagen oder sich bei mir unterzuhaken, um ein wenig zu tratschen. Ich vermisste sie, auch wenn sie mich zuletzt angelogen hatte.
Wie als Antwort auf meine Gedanken zupfte jemand an meinem Ärmel und eine bebende Stimme sagte: »Moj Soverenij?«
Nadja stand vor mir und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe gehofft …«
»Was gibt es?«
Sie drehte sich zu einer dunklen Ecke des Stalls um und zeigte auf einen Jungen im Blau der Ätheralki, den ich nie zuvor gesehen hatte. Nach dem Gnadenerlass waren einige Grischa zurückgekehrt, aber dieser Bursche war noch zu jung, um im Feld gedient zu haben. Er kam nervös näher, fummelte an seiner Kefta.
»Das ist Adrik«, sagte Nadja und nahm ihn in den Arm. »Mein Bruder.« Bei genauerem Hinsehen konnte ich eine gewisse Ähnlichkeit erkennen. »Wir haben gehört, dass Ihr vorhabt, die Schule zu evakuieren.«
»Richtig.« Ich schickte die Schüler an den einzigen Ort, der meines Wissens nach genug Schlafsäle und Platz für alle bot und vom Kampfgeschehen weit entfernt war: Keramzin. Botkin würde sich auch dorthin begeben. Einen so hervorragenden Kämpfer wie ihn ließ ich nur ungern ziehen, aber auf diese Weise konnten die jungen Grischa weiter von ihm lernen – und er konnte ein Auge auf sie haben. Baghra wollte mich zwar nicht mehr sehen, aber ich hatte einen Boten mit dem Angebot zu ihr gesandt, ebenfalls nach Keramzin zu gehen. Sie hatte nicht darauf geantwortet. Ich versuchte zwar, diese Kränkungen an mir abprallen zu lassen, aber die wiederholten Ablehnungen machten mir zu schaffen.
»Du bist also ein Schüler?«, fragte ich Adrik und schob die Gedanken an Baghra beiseite. Er nickte und mir fiel auf, wie entschieden er das Kinn reckte.
»Adrik hat sich gefragt … wir haben uns gefragt, ob …«
»Ich will bleiben«, sagte er wild entschlossen.
Ich zog verblüfft die Augenbrauen hoch. »Wie alt bist du?«
»Alt genug zum Kämpfen.«
»Er hätte die Schule in diesem Jahr abgeschlossen«, warf Nadja ein.
Ich runzelte die Stirn. Er war nicht viel jünger als ich, schien aber nur aus kantigen Knochen und wirren Haaren zu bestehen.
»Geh mit den anderen nach Keramzin«, sagte ich. »Du kannst in einem Jahr zu uns stoßen, wenn du willst.« Wenn wir dann noch hier sind.
»Ich bin gut«, sagte er. »Ich bin ein Stürmer und selbst ohne Kräftemehrer so stark wie Nadja.«
»Das wäre zu gefährlich.«
»Dies ist mein Zuhause. Ich gehe hier nicht weg.«
»Adrik!«, rügte ihn Nadja.
»Schon gut«, sagte ich. Adrik wirkte fast fiebrig. Er hatte die Fäuste geballt. Ich sah Nadja an. »Und du willst wirklich, dass er bleibt?«
»Ich …«, begann Adrik.
»Ich rede mit deiner Schwester. Wenn du im Kampf gegen die Armee des
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