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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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beherrschte mich. Schwäche ist eine Verkleidung.
    »Vielen Dank, Sergej«, sagte ich bewusst formlos. »Ich freue mich, wieder hier zu sein.«
    »Es gab Gerüchte über deine Rückkehr«, sagte er. »Aber ebenso viele über deinen Tod.«
    »Wie ihr seht, bin ich lebendig, und nach der wochenlangen Reise auf dem Vy geht es mir angemessen gut.«
    »Wie man hört, bist du mit dem zweiten Sohn des Zaren angekommen«, sagte Sergej.
    »Das stimmt«, erwiderte ich heiter. »Er hat mir im Kampf gegen den Dunklen beigestanden.«
    Da war sie. Die erste Nagelprobe.
    »Auf der Schattenflur?«, fragte Sergej einigermaßen verwirrt.
    »Auf der Wahren See«, erwiderte ich. Gemurmel wurde laut. Ich hob eine Hand und zu meiner Erleichterung trat sofort Stille ein. Wenn du sie dazu bringst, unwichtige Befehle zu befolgen, dann befolgen sie die wichtigen von ganz allein. »Ich habe viele Geschichten zu erzählen und wichtige Informationen mitzuteilen«, sagte ich. »Aber das alles kann warten. Ich bin mit einer bestimmten Absicht nach Os Alta zurückgekehrt.«
    »Die Leute sprechen von einer Heirat«, sagte Sergej.
    Nikolaj wäre begeistert gewesen.
    »Ich bin nicht als Braut zurückgekehrt«, sagte ich, »sondern nur aus einem einzigen Grund.« Das traf zwar nicht ganz zu, aber ich würde nicht vor Grischa, deren Treue noch nicht erwiesen war, das Thema des dritten Kräftemehrers anschneiden. Ich holte Luft. »Ich bin zurückgekehrt, um die Zweite Armee zu führen.«
    Sofort redeten alle durcheinander. Ich hörte einige Jubelrufe und einige zornige Schreie und sah, wie Sergej einen Blick mit Marie wechselte. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, sagte er: »Das haben wir erwartet.«
    »Der Zar hat mir die Führung übertragen.« Vorläufig , dachte ich, ohne dies jedoch zu sagen.
    Wieder wurden Rufe und Gerede laut.
    Sergej räusperte sich. »Du bist die Sonnenkriegerin, Alina, und wir freuen uns über deine Rückkehr, aber dir fehlt die Erfahrung, um einen Feldzug anzuführen.«
    »Erfahrung oder nicht – ich habe den Segen des Zaren.«
    »Dann werden wir dem Zaren eine Petition vorlegen. Die Korporalki stehen unter den Grischa am höchsten. Sie sollten die Zweite Armee anführen.«
    »Das ist deine Meinung, Blutrünstling.«
    Beim seidigen Klang der Stimme wusste ich sofort, wer da gesprochen hatte, aber mein Herz stockte trotzdem kurz, als ich ihr rabenschwarzes Haar erblickte. Die schlanke Gestalt Zojas drängte sich durch die Schar der Ätheralki. Sie trug blaue Sommerseide, von der sich ihre Augen abhoben wie leuchtende Edelsteine – Edelsteine mit widerwärtig langen Wimpern.
    Ich musste mich mit aller Macht zusammenreißen, um mich nicht nach Maljen umzudrehen. Zoja hatte damals alles getan, um mir das Leben im Kleinen Palast so sauer wie möglich zu machen. Sie hatte mich verhöhnt, Gerüchte über mich in die Welt gesetzt und mir sogar zwei Rippen gebrochen. Aber sie war auch jenes Mädchen, das damals in Kribirsk Maljens Aufmerksamkeit erregt hatte. Was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, wusste ich nicht genau, aber es war ganz sicher nicht nur gehobene Konversation gewesen.
    »Ich spreche für die Ätheralki«, sagte Zoja. »Wir folgen der Sonnenkriegerin.«
    Ich musste mich zusammenreißen, um mein Erstaunen nicht offen zu zeigen. Sie war die allerletzte Person, mit deren Unterstützung ich gerechnet hätte. Was steckte dahinter?
    »Nicht alle«, warf Marie mit piepsiger Stimme ein. Das hätte mich nicht überraschen dürfen, aber es tat weh.
    Zoja lachte verächtlich. »Ja, wir wissen, dass du Sergej in seinem Ehrgeiz zuverlässig unterstützt, Marie. Aber dies ist kein nächtliches Stelldichein bei der Banja. Hier geht es um die Zukunft der Grischa und ganz Rawkas.«
    Ihre Worte sorgten für Gekicher und Marie wurde knallrot.
    »Es reicht, Zoja«, fauchte Sergej.
    Ein mir unbekannter Ätheralnik trat vor. Seine Haut war dunkel und ich bemerkte eine blasse Narbe oben auf der linken Wange. Er trug die Stickereien eines Inferni.
    »Marie hat Recht«, sagte er. »Du sprichst nicht für alle, Zoja. Ich würde einen Ätheralnik an der Spitze der Zweiten Armee hinnehmen, aber ganz bestimmt nicht sie.« Er zeigte anklagend auf mich. »Sie ist ja nicht einmal hier aufgewachsen.«
    »Genau!«, rief ein Korporalnik. »Sie ist erst seit einem knappen Jahr eine Grischa!«
    »Man wird nicht zum Grischa gemacht, sondern als einer geboren«, knurrte Tolja.
    Das war klar , dachte ich mit einem stillen Seufzer. Ausgerechnet jetzt

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