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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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muss er den Mund aufmachen.
    »Und wer bist du?«, fragte Sergej mit einem Hauch seiner angeborenen Arroganz.
    Tolja griff nach seinem Krummsäbel. »Ich bin Tolja Yul-Baatar. Ich bin weit weg von diesem Kadaver von Palast aufgewachsen, und ich würde mit Freuden beweisen, dass ich dein Herz zum Stillstand bringen kann.«
    »Ihr seid Grischa?«, fragte Sergej ungläubig.
    »Genau wie du«, erwiderte Tamar und ihre goldenen Augen blitzten.
    »Und was ist mit dir?«, fragte Sergej an Maljen gewandt.
    »Ich bin nur ein Soldat«, antwortete Maljen und trat dicht neben mich. »Ihr Soldat.«
    »Genau wie wir alle«, fügte Fedjor hinzu. »Wir sind nach Os Alta zurückgekehrt, weil wir der Sonnenkriegerin dienen wollen, nicht einem großmäuligen Halbstarken.«
    Ein anderer Korporalnik sprang auf. »Du bist nur einer der Feiglinge, die nach dem Sturz des Dunklen geflohen sind. Du hast kein Recht, zurückzukehren und uns zu beleidigen.«
    »Und sie?«, schrie ein Stürmer. »Sie könnte ebenso gut auf der Seite des Dunklen stehen! Sie hat ihm bei der Zerstörung von Nowokribirsk geholfen.«
    »Und sie war mit ihm im Bett!«, rief ein anderer.
    Lass dich auf keinen Fall dazu hinreißen, etwas abzustreiten , hörte ich Nikolaj sagen.
    »In welcher Beziehung stehst du zu Nikolaj Lantsow?«, wollte ein Fabrikator wissen.
    »Und deine Beziehung zum Dunklen?«, schrie jemand mit schriller Stimme.
    »Tut das etwas zur Sache?«, fragte ich betont gelassen, spürte jedoch, dass mir die Kontrolle zu entgleiten begann.
    »Aber ganz bestimmt«, erwiderte Sergej. »Wie können wir uns deiner Treue sicher sein?«
    »Ihr habt nicht das Recht, sie zu verhören!«, rief ein Beschwörer.
    »Und warum nicht?«, konterte ein Heiler. »Weil sie eine leibhaftige Heilige ist?«
    »Steckt sie in eine Kapelle, denn dort ist ihr Platz!«, brüllte jemand. »Werft sie mitsamt ihrem Gesindel aus dem Kleinen Palast!«
    Tolja griff nach seinem Säbel. Tamar und Sergej hoben die Arme. Ich sah, wie Marie den Feuerstein zückte, und spürte, wie eine von Stürmern aufgerufene Brise den Saum meiner Kefta hob. Ich hatte geglaubt, für diese Konfrontation bereit zu sein, aber mit der unbändigen Wut, die jetzt in mir hochkochte, hatte ich nicht gerechnet. Meine Schulterwunde pochte und in meinem Inneren brach sich etwas Bahn.
    Bei einem Blick in Sergejs höhnisches Gesicht brandete auf einmal meine Macht in mir auf und sie hatte ein eindeutiges, wenn auch ungutes Ziel. Ich hob einen Arm. Wenn sie eine Lektion brauchten, dann würde ich sie ihnen erteilen. Sie konnten dann über der halbierten Leiche Sergejs weiter diskutieren. Meine Hand sauste im Bogen durch die Luft und warf den Schnitt nach ihm aus. Das Licht war eine Klinge, geschärft durch meinen Zorn.
    Doch in allerletzter Sekunde gewann mein Verstand die Oberhand. Nein , dachte ich entsetzt, als ich begriff, was ich da gerade tun wollte. Panik ließ meinen Kopf schwirren. Ich riss den Arm herum und lenkte den Schnitt in die Höhe.
    Ein donnerndes Krachen hallte durch den Saal. Die Grischa schrien auf und wichen zurück, drängten sich gegen die Wände.
    Tageslicht fiel hoch über uns durch einen Riss. Ich hatte die goldene Kuppel gespalten wie ein riesiges Ei.
    Totenstille trat ein, als sich die Grischa nacheinander ungläubig und angsterfüllt nach mir umdrehten. Ich schluckte, war verblüfft, ja entsetzt bei dem Gedanken an das, was ich um ein Haar getan hätte. Ich dachte an Nikolajs Rat und verhärtete mein Herz. Sie durften meine Furcht nicht wittern.
    »Ihr glaubt, der Dunkle wäre mächtig?«, fragte ich, selbst erstaunt über den eisklaren Klang meiner Stimme. »Ihr habt keine Ahnung, wozu er im Stande ist. Ich ganz allein habe mit ansehen müssen, was er vermag. Ich ganz allein habe mich ihm entgegengestellt und überlebt und kann euch davon berichten.«
    Ich klang in meinen Ohren wie eine Fremde, spürte jedoch den Nachhall der Macht in meinem Inneren und fuhr einfach fort. Langsam drehte ich mich um, ließ meinen Blick über die wie erstarrt wirkenden Grischa gleiten.
    »Mir ist es gleich, ob ihr mich für eine Heilige, eine Närrin oder für die Hure des Dunklen haltet. Wenn ihr im Kleinen Palast bleiben wollt, müsst ihr mir gehorchen. Wenn nicht, werdet ihr noch heute verschwinden oder ich lasse euch in Ketten legen. Ich bin eine Soldatin. Ich bin die Sonnenkriegerin. Und ich bin eure einzige Chance.«
    Ich schritt quer durch den Saal und stieß die zum Gemach des Dunklen führenden

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