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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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dem Gewächshaus stammten. Ein Diener brachte uns Tee aus einem der großen Samoware.
    Â»Zucker!«, entfuhr es mir, als er mir eine kleine Schale hinstellte.
    Marie und Nadja tauschten einen Blick und ich errötete. In Rawka war Zucker seit hundert Jahren rationiert, aber hier, im Kleinen Palast, schien er nichts Besonderes zu sein. Mehrere andere Beschwörer setzten sich zu uns, und nach einer kurzen Vorstellung bestürmten sie mich mit Fragen.
    Woher ich stammte? Aus dem Norden. (Maljen und ich hatten nie gelogen, was unsere Herkunft betraf. Wir erzählten nur nicht die ganze Wahrheit.)
    War ich tatsächlich Kartenzeichnerin? Ja.
    War ich wirklich von Fjerdan angegriffen worden? Ja.
    Hatte ich viele Volkra getötet? Keinen einzigen.
    Diese Antwort schien alle zu enttäuschen, vor allem die jungen Männer.
    Â»Aber man erzählt sich, dass du während des Angriffs auf das Skiff Hunderte erschlagen hast!«, wandte Iwo ein, ein junger Mann, dessen spitzes Gesicht an einen Nerz erinnerte.
    Â»Kann sein. Aber das ist falsch«, sagte ich. Dann dachte ich nach. »Glaube ich jedenfalls. Ich … äh … bin sozusagen ohnmächtig geworden.«
    Â»Du bist ohnmächtig geworden?« Iwo war entsetzt.
    Ich war erleichtert, als mir jemand auf die Schulter tippte. Zum Glück war Genja gekommen und erlöste mich.
    Â»Wollen wir?«, fragte sie, ohne die anderen zu beachten.
    Ich verabschiedete mich murmelnd und eilte aus dem Saal, wobei ich die Blicke im Nacken spürte.
    Â»Wie war das Frühstück?«, fragte Genja.
    Â»Schrecklich.«
    Genja blickte angewidert. »Roggenbrot und Hering?«
    Ich hatte eher an die Gespräche gedacht, nickte aber nur.
    Sie rümpfte die Nase. »Ekelhaft.«
    Ich sah sie misstrauisch an. »Was hast du gegessen?«
    Genja blickte sich nach Zuhörern um und flüsterte dann: »Eine Köchin hat eine Tochter, die an einem schlimmen Ausschlag leidet. Ich habe mich darum gekümmert und nun schickt sie mir jeden Morgen das Gebäck, das man im Großen Palast zubereitet. Es schmeckt göttlich.«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Die anderen Grischa mochten auf Genja herabschauen, aber sie hatte ihre eigene Art von Macht und Einfluss.
    Â»Behalt das bitte für dich«, fügte Genja hinzu. »Der Dunkle will unbedingt, dass wir deftige Landmannskost essen. Mögen die Heiligen verhüten, dass wir uns je über die gewöhnlichen Bewohner Rawkas erheben.«
    Ich unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Der Kleine Palast war nur ein romantischer Abklatsch des Landlebens und entsprach dem wahren Rawka genauso wenig wie der prächtige und prunkvolle Hof des Zaren. Die Grischa ahmten die Lebensgewohnheiten der Landbevölkerung mit regelrechter Besessenheit nach, sogar, was die Kleidung unter der Kefta betraf. Angesichts der Tatsache, dass sie in einem Saal mit goldener Kuppel saßen und die »deftige Landmannskost« von feinen Porzellantellern löffelten, kam mir dieser Anspruch allerdings lächerlich vor. Im Übrigen hätte kein Bauer oder Leibeigener süßes Gebäck für einen sauren Hering stehenlassen.
    Â»Ich schweige wie ein Grab«, versprach ich.
    Â»Gut! Wenn du lieb zu mir bist, gebe ich dir nächstes Mal vielleicht etwas ab«, sagte Genja augenzwinkernd. »Siehst du diese Tür? Sie führt zur Bibliothek und zu den Studierzimmern. Rechts geht es zu deinem Gemach und links zum Großen Palast«, ergänzte sie und wies auf eine weitere Flügeltür. Dann führte sie mich in Richtung der Bibliothek.
    Â»Und wohin geht es dort?«, fragte ich und deutete mit dem Kopf auf die geschlossene Flügeltür hinter dem Tisch des Dunklen.
    Â»Wenn diese Tür aufgeht, musst du achtgeben. Sie führt in die Gemächer und den Beratungsraum des Dunklen.«
    Bei einem genaueren Blick auf die Türflügel entdeckte ich das Zeichen des Dunklen zwischen den Schnitzereien, die eine Vielfalt unterschiedlichster Tiere sowie ein Gespinst aus verschlungenen Ranken zeigten. Ich riss mich von diesem Anblick los und folgte Genja, die den Kuppelsaal schon fast verlassen hatte.
    Wir gingen durch einen Flur zu einer weiteren großen Flügeltür, deren Schnitzwerk an den Einband eines alten Buches erinnerte. Als Genja einen der Türflügel aufzog, keuchte ich laut auf.
    Die Wände der zwei Stockwerke hohen Bibliothek waren von oben bis unten

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