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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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werden auf große Anwesen geschickt, um Adelsfamilien zu dienen. Manche müssen als Angehörige der Ersten Armee an der nördlichen oder südlichen Front oder auch in der Nähe der Schattenflur kämpfen. Die Besten dürfen im Kleinen Palast bleiben, um ihre Ausbildung zu beenden und danach in den Dienst des Dunklen zu treten.«
    Â»Und ihre Familien?«, fragte ich.
    Â»Erhalten eine großzügige Entschädigung. Die Familie eines Grischa leidet keinen Mangel.«
    Â»Kehrt ihr denn nie nach Hause zurück?«
    Genja zuckte mit den Schultern. »Ich habe meine Eltern zuletzt gesehen, als ich fünf war. Das hier ist jetzt mein Zuhause.«
    Ich betrachtete Genja, die in ihrer weiß-goldenen Kefta vor mir stand. Ihre Worte überzeugten mich nicht ganz. Ich hatte die längste Zeit meines Lebens in Keramzin verbracht, aber meine Heimat war es nie geworden. Das Gleiche galt für die Armee des Zaren, selbst nach einjährigem Dienst. Ein Gefühl der Zugehörigkeit verspürte ich nur, wenn ich bei Maljen war, und auch das währte nie lange. Vielleicht unterschied ich mich gar nicht so sehr von Genja, obwohl sie anders als ich wunderschön war.
    Wir schlenderten an den steinernen Pavillons am Ufer vorbei. Genja blieb erst stehen, als wir einen Pfad erreichten, der in den Wald abzweigte.
    Â»Da sind wir«, sagte sie.
    Ich schaute in den Wald. Am Ende des Pfades konnte ich eine kleine, im Schatten der Bäume verborgene Hütte aus Stein erkennen.
    Â»Das ist unser Ziel?«
    Â»Dorthin kann ich dich nicht begleiten. Und um ehrlich zu sein, möchte ich es auch nicht.«
    Ein leiser Schauder lief über meinen Rücken, als ich wieder zur Hütte sah.
    Genja betrachtete mich mitleidig. »Baghra ist gar nicht so schlimm. Man muss sich nur an sie gewöhnen. Aber du darfst dich nicht verspäten.«
    Â»Gut«, stieß ich hervor und eilte davon.
    Â»Viel Glück!«, rief Genja mir nach.
    Die steinerne Hütte war rund und hatte, wie ich beklommen feststellte, kein einziges Fenster. Ich ging ein paar Stufen hinauf und klopfte an die Tür. Da niemand reagierte, klopfte ich noch einmal. Was wurde von mir erwartet?, fragte ich mich und warf einen Blick zurück zum Uferweg. Genja war längst verschwunden. Ich klopfte ein drittes Mal. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen und öffnete die Tür.
    Die Hitze traf mich wie ein Schlag und ich fing unter meinen neuen Kleidern sofort zu schwitzen an. Nachdem sich meine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, erblickte ich ein schmales Bett, eine Waschschüssel und einen Herd mit einem Kessel darauf. Mitten im Raum standen zwei Stühle und in einem großen, gekachelten Kamin toste ein Feuer.
    Â»Du bist spät dran«, blaffte jemand.
    Ich schaute mich um, konnte in dem winzigen Raum aber niemanden entdecken. Dann bewegte sich ein Schatten. Ich hätte vor Schreck fast aufgeschrien.
    Â»Tür zu, Mädchen. Du lässt die Hitze raus.«
    Ich schloss die Tür.
    Â»Schön. Lass dich anschauen.«
    Ich hätte am liebsten die Flucht ergriffen, ermahnte mich aber zur Besonnenheit und zwang mich, zum Feuer zu gehen. Eine Person trat aus den Schatten neben dem Kamin, um mich im Schein der Flammen zu mustern.
    Anfangs glaubte ich, eine uralte Frau vor mir zu haben, aber bei einem zweiten Blick kamen mir Zweifel daran, denn Baghras Gesichtshaut war glatt und straff. Sie hielt sich kerzengerade, ihr Körper war so drahtig wie der eines Suli-Akrobaten und in ihrem rabenschwarzen Haar zeigte sich kein Grau. Trotzdem erinnerte ihr Gesicht mit den kantigen Zügen und tiefen Augenhöhlen im Feuerschein an einen Totenschädel. Sie trug eine alte Kefta von undefinierbarer Farbe und in einer ihrer knochigen Hände hielt sie einen Stock mit abgeflachtem Kopf, der aussah, als bestünde er aus silbrigem, versteinertem Holz.
    Â»So, so«, sagte sie mit tiefer, kehliger Stimme, »du bist also die Sonnenkriegerin. Willst uns alle retten. Ganz allein?«
    Ich trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    Â»Was ist, Mädchen? Bist du stumm?«
    Â»Nein«, brachte ich hervor.
    Â»Ah! Ein Wort scheinst du immerhin zu beherrschen. Warum hat man dich als Kind nicht geprüft?«
    Â»Ich wurde geprüft.«
    Â»Hm«, brummte sie. Dann veränderte sich ihre Miene. Sie sah mich aus Augen an, die so kühl und unergründlich waren, dass

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