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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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mir trotz der Hitze ein kalter Schauder über den Rücken lief. »Hoffen wir mal, dass du stärker bist, als du aussiehst, Mädchen«, sagte sie grimmig.
    Eine knochige Hand glitt aus einem Ärmel und schloss sich fest um mein Handgelenk. »Und nun«, sagte sie, »wollen wir deine Fähigkeiten auf die Probe stellen.«

Die Sache ging vollkommen schief. Als Baghra ihre knochigen Finger um mein Handgelenk schloss, wusste ich sofort, dass sie ein Kräftemehrer wie der Dunkle war. Ich spürte, wie mich Gewissheit durchströmte, und im Raum flammte Sonnenschein auf, der die Steinwände erglänzen ließ. Doch als sie mich losließ und mir befahl, die Macht allein aufzurufen, versagte ich. Sie schalt mich, schmeichelte mir, ja sie schlug mich sogar mit ihrem Stock.
    Â»Was soll ich mit jemandem anfangen, der seine Macht nicht selbstständig aufrufen kann?«, knurrte sie. »Das können sogar Kinder.«
    Sie packte wieder mein Handgelenk und ich spürte, wie sich die Macht in mir regte und an die Oberfläche drängte. Ich glaubte sie spüren zu können und wollte sie ergreifen. Aber immer wenn ich es allein versuchte, entglitt sie mir und versank in den Tiefen meines Inneren wie ein Stein. Am Ende winkte Baghra mich angewidert davon.
    Der Tag wurde nicht besser. Ich verbrachte den restlichen Vormittag in der Bibliothek, wo man mir einen ganzen Berg Bücher über Theorie und Geschichte der Grischa auf den Tisch knallte und mir zu verstehen gab, dass dies nur ein Bruchteil meiner Pflichtlektüre war. Beim Mittagessen hielt ich Ausschau nach Genja, aber sie blieb verschwunden. Ich setzte mich an den Tisch der Beschwörer und war bald von Ätheralki umringt.
    Ich stocherte in meinem Essen, während mich Marie und Nadja mit Fragen nach meiner ersten Unterrichtsstunde bedrängten. Sie erkundigten sich nach meinem Zimmer und luden mich ein, abends mit ihnen in die Banja zu gehen. Als ich wortkarg blieb, schwatzten sie mit den anderen Beschwörern über ihren Unterricht. Während ich mich bei Baghra abrackerte, paukten sie fortgeschrittene Theorie, Sprachen und Militärstrategie. Im nächsten Sommer würden sie den Kleinen Palast verlassen und zur Schattenflur reisen oder sich an die Front im Norden oder im Süden begeben, um in der dortigen Zweiten Armee ihre Befehlsränge einzunehmen. Die größte Ehre wäre jedoch, wenn sie wie Iwan an der Seite des Dunklen bleiben würden.
    Ich bemühte mich, so gut wie möglich zuzuhören, musste aber immer wieder an meine katastrophale Stunde bei Baghra denken. Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass Marie mir eine Frage gestellt hatte. Sie und Nadja starrten mich an.
    Â»Entschuldigung. Was hast du gefragt?«, sagte ich.
    Die beiden tauschten einen Blick.
    Â»Möchtest du uns zu den Ställen begleiten?«, fragte Marie. »Zum Kampftraining.«
    Kampftraining? Ich schaute auf den kleinen Stundenplan, den Genja mir gegeben hatte. Nach dem Essen war tatsächlich »Kampftraining, Botkin, westliche Ställe« angesetzt. Es sollte also doch noch schlimmer kommen.
    Â»Gern«, sagte ich wie betäubt und stand auf. Diener sprangen herbei, um die Stühle zurückzuziehen und die Teller abzuräumen. An diese Art der Aufwartung würde ich mich wohl nie gewöhnen.
    Â»Ne brinite« , sagte Marie kichernd.
    Â»Wie bitte?«, fragte ich verdutzt.
    Â»To c’e biti zabawno.«
    Nadja kicherte auch. »Sie hat gesagt: ›Keine Sorge. Das wird lustig.‹ Das ist Suli-Dialekt. Marie und ich lernen ihn, falls man uns nach Westen schickt.«
    Â»Ach so«, sagte ich.
    Â»Shi si yuyan Suli« , sagte Sergej, der auf dem Weg aus dem Kuppelsaal an uns vorbeikam. »Das ist Shu und heißt: ›Suli ist eine tote Sprache.‹«
    Marie wirkte erbost und Nadja biss auf ihre Unterlippe.
    Â»Sergej lernt Shu«, flüsterte Nadja.
    Â»So viel habe ich kapiert«, erwiderte ich.
    Marie beschwerte sich während des ganzen Weges zu den Ställen über Sergej und die anderen Korporalki und sprach von den Vorzügen des Suli gegenüber dem Shu. Suli sei für Missionen im Nordwesten am besten geeignet. Shu zu lernen bedeute, dass man ständig diplomatischen Schriftverkehr übersetzen müsse. Sergej sei ein Idiot, der besser dran wäre, wenn er in Kerch ein Gewerbe lernte. Sie unterbrach sich kurz, um mir die Banja zu zeigen, ein

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