Grischa: Goldene Flammen
ausgeklügeltes System von heiÃen Bädern und kalten Teichen in einem Birkenwäldchen neben dem Palast, um gleich darauf zu beklagen, dass die egoistischen Korporalki die Bäder jeden Abend mit Beschlag belegten.
Vielleicht kam mir das Kampftraining gerade recht. Marie und Nadja weckten jedenfalls den Wunsch in mir, auf irgendetwas einzuschlagen.
Als wir die Rasenflächen westlich des Kleinen Palastes überquerten, fühlte ich mich plötzlich beobachtet. Ich hob den Kopf und sah abseits des Pfades eine Gestalt, die fast vollständig mit den Schatten der niedrigen Bäume verschmolz. Das lange braune Gewand und der ungepflegte schwarze Bart waren unverkennbar und ich spürte den unheimlichen, brennenden Blick des Asketen sogar aus dieser Entfernung. Ich beeilte mich, Marie und Nadja einzuholen, spürte aber, dass er mich nicht aus den Augen lieÃ. Als ich mich umdrehte, stand er immer noch da.
Die Räume für das Kampftraining befanden sich neben den Ställen â groÃe, kahle Säle mit hoher Decke und einem FuÃboden aus gestampftem Lehm. An den Wänden hingen alle möglichen Waffen. Unser Lehrer, Botkin Yul-Erdene, war kein Grischa, sondern ein ehemaliger Shu-Han-Söldner, der auf allen Kontinenten und für jede Armee in den Krieg gezogen war, die sich seine besondere Begabung zur Gewalt hatte leisten können. Er hatte struppige graue Haare und eine schreckliche Narbe am Hals, denn man hatte einmal versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden. Während der nächsten zwei Stunden verfluchte ich seinen damaligen Angreifer dafür, seine Aufgabe nicht anständig erledigt zu haben.
Botkin begann mit Ausdauerübungen. Er scheuchte uns über das Palastgelände. Ich gab mein Bestes, um mitzuhalten, war aber wie üblich schwach und tollpatschig und fiel bald zurück.
»Lernt man so in Erster Armee?«, höhnte er mit schwerem Shu-Akzent, als ich mich einen Hügel hinaufquälte.
Ich war zu sehr auÃer Puste, um etwas erwidern zu können.
Nach der Rückkehr in die Trainingsräume teilte Botkin die Beschwörer jeweils zu zweit für Faustkampfübungen ein. Er bestand darauf, mein Partner zu sein, und die nächste Stunde verstrich in einem Nebel aus schmerzhaften Schlägen und Hieben.
»Abblocken!«, brüllte er und warf mich zurück. »Schneller! Oder kleines Mädchen mag Schläge?«
Mein einziger Trost war, dass wir während dieser Ãbungen unsere Grischa-Fähigkeiten nicht einsetzen durften. So blieb mir wenigstens die Demütigung erspart, vor aller Augen auch noch beim Aufrufen meiner Macht zu versagen.
Als ich so müde und wund war, dass ich erwog, mich einfach auf den Boden sinken und von ihm treten zu lassen, entlieà Botkin uns. Bevor wir zur Tür hinaus waren, rief er noch: »Morgen kleines Mädchen kommt früh und übt mit Botkin.«
Ich hatte nur noch die Kraft, mir ein Wimmern zu verkneifen.
Ich taumelte in mein Zimmer und nahm ein Bad. Danach hätte ich mich am liebsten im Bett verkrochen, zwang mich aber, zum Abendessen in den Kuppelsaal zu gehen.
»Wo ist Genja?«, fragte ich Marie, als ich mich an den Tisch der Beschwörer setzte.
»Sie isst im GroÃen Palast.«
»Und sie schläft dort«, fügte Nadja hinzu. »Die Zarin will, dass sie rund um die Uhr zur Verfügung steht.«
»Das möchte auch der Zar.«
»Marie!«, mahnte Nadja, musste aber kichern.
Ich starrte sie verblüfft an. »Wollt ihr damit sagen â¦Â«
»Das ist nur ein Gerücht«, sagte Marie, tauschte aber einen wissenden Blick mit Nadja.
Ich dachte an die feuchten Lippen des Zaren, die geplatzten Ãderchen auf seiner Nase und dann dachte ich an die schöne Genja im Weià und Gold der Diener. Ich schob meinen Teller weg. Das bisschen Appetit, das ich gehabt hatte, war mir jetzt ganz vergangen.
Das Essen dauerte eine Ewigkeit. Ich nippte am Tee und lieà den Klatsch und Tratsch der Beschwörer über mich ergehen. Gerade wollte ich mich entschuldigen und in mein Zimmer fliehen, als die Tür hinter dem Tisch des Dunklen geöffnet wurde. Der ganze Saal verstummte.
Iwan erschien und schlenderte zu den Beschwörern, ohne die Blicke der anderen Grischa zu beachten.
Mein Herz sank, als ich begriff, dass er direkt auf mich zusteuerte.
»Mitkommen, Starkowa«, sagte er, als er vor unserem Tisch stand, und fügte ein
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