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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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der Asket schien überall zugleich zu sein. Er lauerte in den Fluren und am Pfad zum See und ich hatte den Verdacht, dass er nur darauf wartete, mich wieder allein anzutreffen. Da ich sein Gerede von Glaube und Leid nicht noch einmal anhören wollte, achtete ich darauf, immer in Begleitung zu sein.
    Obwohl ich am Tag des Winterfestes keinen Unterricht hatte, ging ich zu Botkin. Ich konnte nicht im Zimmer hocken, denn erstens machte ich mir zu viele Gedanken über meinen Beitrag zu der Vorführung, und zweitens ließ mich die Aussicht auf ein Wiedersehen mit dem Dunklen nicht zur Ruhe kommen. Da half es auch nicht, wenn ich mich unter die anderen Grischa mischte. Marie und Nadja schwatzten unaufhörlich über ihre neuen, seidenen Keftas und den Schmuck, den sie anlegen wollten, und David und die anderen Fabrikatoren bedrängten mich mit Fragen nach den Einzelheiten der Vorführung. Also mied ich den Kuppelsaal und ging stattdessen zu den Übungsräumen neben den Ställen.
    Erst war Dauerlauf an der Reihe, dann ließ Botkin mich mit den Spiegelhandschuhen üben. Wenn ich sie trug, konnte ich ihm wenigstens einigermaßen Paroli bieten. Das glaubte ich jedenfalls. Nach dem Unterricht gab Botkin zu, dass er sich bewusst zurückgehalten hatte.
    Â»Mädchen, das auf Feier geht, darf man nicht das Gesicht hauen kaputt«, sagte er schulterzuckend. »Morgen Botkin wird wieder richtig zuschlagen.«
    Diese Aussicht entlockte mir ein Stöhnen.
    Ich aß rasch im Kuppelsaal und eilte auf mein Zimmer, bevor mich jemand ansprechen konnte. Ich freute mich auf meine herrliche, im Boden versenkte Badewanne. Die Banja machte Spaß, aber ich hatte in der Armee oft genug in Gemeinschaft gebadet und die Privatsphäre, die ich hier genoss, war immer noch etwas Neues für mich.
    Nachdem ich mich lange und in aller Ruhe hatte einweichen lassen, setzte ich mich ans Fenster, um meine Haare zu trocknen und zuzuschauen, wie über dem See die Nacht anbrach. Bald würde man die Laternen entlang der Auffahrt zum Palast für die vielen Edelleute entzünden, die in ihren Kutschen eintreffen würden, eine prächtiger als die andere. Ich verspürte ein leises Prickeln der Aufregung. Vor einigen Monaten hätte ich mich vor einem solchen Abend gefürchtet: ein Auftritt vor Hunderten schöner Menschen in schönen Kleidern, für die ich mich hübsch machen musste. Ich war zwar nervös, glaubte aber, dass mir die Sache doch Spaß machen könnte.
    Ich warf einen Blick auf die kleine Uhr auf dem Kaminsims und runzelte die Stirn. Eine Dienerin sollte mir meine neue, seidene Kefta bringen und wenn sie nicht bald käme, würde ich meine alte aus Wolle anziehen oder mir etwas von Marie borgen müssen.
    Ich hatte dies noch nicht ganz zu Ende gedacht, da klopfte es an der Tür. Als ich öffnete, stand Genja da. Sie trug ein cremefarbenes, üppig mit Gold besticktes Seidengewand und hatte ihr rotes Haar hochgesteckt, damit die Ohrringe mit den schweren Diamanten und ihr langer, anmutiger Hals besser zur Geltung kamen.
    Â»Na?«, sagte sie und drehte sich hin und her.
    Â»Abscheulich«, erwiderte ich lächelnd.
    Â»Sehe ich nicht prachtvoll aus?«, fragte sie und bewunderte sich im Spiegel über der Waschschüssel.
    Â»Mit etwas mehr Demut würdest du noch besser aussehen.«
    Sie riss sich von ihrem Spiegelbild los und betrachtete mich. »Wohl kaum. Warum bist du noch nicht angezogen?«, fragte sie.
    Â»Meine Kefta ist noch nicht da.«
    Â»Tja, die Fabrikatoren waren durch die Wünsche der Zarin etwas überlastet. Man bringt die Kefta sicher gleich. Setz dich erst einmal vor den Spiegel, damit ich dein Haar machen kann.«
    Ich hätte am liebsten vor Aufregung gequietscht, konnte mich aber gerade noch beherrschen. Ich hatte gehofft, dass Genja mich frisieren würde, hätte sie aber nicht von selbst darum gebeten. »Ich dachte schon, du müsstest der Zarin helfen«, sagte ich, als Genja mit ihren geschickten Händen zu Werke zu gehen begann.
    Sie verdrehte die bernsteinfarbenen Augen. »Ich kann keine Wunder vollbringen. Ihre Hoheit hat beschlossen, sich nicht gut genug für den Ball zu fühlen. Sie hat Kopfschmerzen. Ha! Dabei habe ich eine geschlagene Stunde damit verbracht, ihre Krähenfüße zu entfernen.«
    Â»Dann wird sie also nicht teilnehmen?«
    Â»Natürlich nimmt sie teil! Sie will nur, dass ihre

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