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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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Glückssträhne war zu Ende. Vielleicht suchte mich nicht die ganze Armee, aber auf jeden Fall die Leibgarde des Dunklen.
    Â»Du …«, hauchte er.
    Ich nahm die Beine in die Hand.
    Ich rannte durch eine Gasse in ein Gewirr schmaler Straßen. Mein Herz hämmerte. Sobald ich die letzten, verwahrlosten Häuser von Rjewost hinter mir gelassen hatte, schlug ich mich von der Straße ins Unterholz. Zweige zerkratzten mir Wangen und Stirn, während ich immer tiefer in den Wald lief.
    Hinter mir hörte ich meine Verfolger: Männer brüllten einander etwas zu, schwere Schritte ließen den Waldboden erbeben. Ich wäre am liebsten blindlings weitergerannt, zwang mich aber, stehen zu bleiben und zu lauschen.
    Sie bewegten sich östlich von mir, suchten dicht neben der Straße. Schwer zu sagen, wie viele es waren.
    Mein Atem beruhigte sich. Dann wurde mir bewusst, dass ich ein Rauschen hörte. Offenbar war ein Gewässer in der Nähe, ein Zufluss des großen Stroms. Wenn ich es bis dorthin schaffte, konnte ich meine Spuren verwischen. Dann würden sie mich in der Dunkelheit nicht mehr finden.
    Ich folgte den Geräuschen des Flusses, blieb immer wieder stehen und horchte, um die Richtung nicht zu verlieren. Ich kämpfte mich einen Hügel hinauf, der so steil war, dass ich fast kriechen musste, zog mich an Ästen und Wurzeln weiter nach oben.
    Â»Dort!« Der Ruf ertönte unter mir, und als ich einen Blick über die Schulter warf, sah ich Lichter, die sich durch den Wald auf den Hügel zubewegten. Ich kroch mühsam höher. Meine Hände rutschten immer wieder ab und meine Lungen brannten bei jedem Atemzug. Als ich schließlich oben war, zog ich mich über die Kuppe und schaute nach unten. Beim Anblick des Mondscheins, der auf einem Fluss glitzerte, fasste ich wieder Mut.
    Ich schlitterte so schnell wie möglich den steilen Hügel hinunter, wobei ich mich weit zurücklehnte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich hörte Rufe und als ich mich umdrehte, zeichneten sich die Silhouetten meiner Verfolger vor dem Nachthimmel ab. Sie hatten die Hügelkuppe erreicht.
    Panik erfasste mich und ich begann zu rennen. Kieselsteine flogen auf und klapperten die steile Böschung hinunter bis an das Flussufer. Ich glitt aus und kippte nach vorn, schürfte mir beide Hände auf, als ich auf den Boden knallte, purzelte den Hügel hinunter und klatschte in das eiskalte Wasser.
    Mein Herzschlag schien auszusetzen. Die Kälte glich einer Hand, die meinen Körper unbarmherzig packte. Ich strampelte, bis mein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, und schnappte nach Luft. Dann zog mich die Strömung wieder unter Wasser. Schwer zu sagen, wie weit ich mitgerissen wurde, denn ich dachte nur an den nächsten Atemzug und spürte, wie meine Arme und Beine immer tauber wurden.
    Ich glaubte schon, nie mehr an die Oberfläche zu gelangen, als ich endlich in eine stille, flache Ecke getrieben wurde. Ich packte einen Felsbrocken und zog mich ans Ufer, wo ich schwankend auf die Beine kam. Meine Stiefel rutschten auf den glatten Steinen aus und mein Mantel war so vollgesogen, dass ich kaum vorwärtskam.
    Wie es mir gelang, weiß ich nicht mehr, aber ich schaffte es bis in den Wald, wo ich mich zwischen dichtem Buschwerk versteckte. Dort brach ich zusammen, zitterte vor Kälte und hustete Wasser aus.
    Das war fraglos die schlimmste Nacht meines Lebens. Mein Mantel war klitschnass. Meine Füße waren taub. Ich zuckte bei jedem Geräusch zusammen, weil ich glaubte, man hätte mich aufgespürt. Pelzmütze, Schlafmatte und Proviant waren im Fluss verloren gegangen. Ich war nicht nur umsonst in Rjewost gewesen, nein, man hatte mich auch noch erkannt. Mein Geldbeutel fehlte. Nur das Messer steckte noch in der Scheide an meiner Hüfte.
    Kurz vor der Dämmerung rief ich ein wenig Sonnenlicht auf, um meine Stiefel zu trocknen und meine klammen Hände zu wärmen. Dann döste ich ein und träumte, dass Baghra mir mein eigenes Messer an die Kehle setzte und heiser in mein Ohr lachte.
    Als ich erwachte, hämmerte mein Herz. Ich hörte, wie Männer den Wald durchkämmten. Ich war vor einem Baum eingeschlafen, versteckt – das hoffte ich jedenfalls – hinter dichten Büschen. Ich konnte niemanden sehen, hörte aber ferne Stimmen. Ich zögerte, war wie erstarrt, wusste nicht, was ich tun sollte. Wenn ich mich bewegte,

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