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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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erhellte, blieben
sie unter einer Ulme stehen.
    "Bill
Henry hat letzte Woche direkt hinter dem Berg da einen Achtender
geschossen." John McAvoy deutete in die entsprechende Richtung. "Hier
gibt es ein paar kapitale Hirsche. Wenn Bill einen erwischt, kann das
jeder."
     
In sechs Metern Höhe war ein Hochsitz in die Ulme gebaut, zu dem eine wacklige
Leiter führte. "Du kannst den hier haben", sagte John. "Ich
nehme den nächsten, einhundert Meter weiter. Aber nur Hirsche, klar?"
    "Sonnenklar.
"
    "Ist
dein Jagdschein noch gültig?"
    "Ich
glaube nicht."
    "Macht
nichts. Unser Wildhüter ist immer noch Lester. Letzten Monat habe ich seinen
Sohn vor dem Gefängnis bewahrt. Der Junge nimmt Drogen. Meth."
     
Damit stapfte er davon. "Schlaf bloß nicht ein", rief er, bevor er in
der Dunkelheit verschwand.
     
Kyle hängte sich die Flinte über die Schulter und kletterte die Leiter hinauf.
Der Hochsitz bestand aus einer kleinen Plattform aus Brettern und Kanthölzern,
die in der Ulme verankert und wie alle Hochsitze nicht gerade komfortabel war.
Er drehte und wand sich, bis er schließlich mit dem Rücken zum Baumstamm und
baumelnden Beinen auf den Brettern saß. Da er schon mit fünf Jahren auf
Hochsitzen gewesen war, wusste er, wie man sich völlig ruhig verhielt. Eine
sanfte Brise raschelte in den wenigen Blättern. Die Sonne stieg schnell höher.
Bald würde das Wild auf der Suche nach Schwingelgras und Futtermais leise an
den Waldrand kommen.
     
Die Flinte war eine Remington 30.06, die er zu seinem vierzehnten Geburtstag
bekommen hatte. Er drückte sie fest an die Brust und schlief sofort ein.
    Der
Knall eines Schusses holte ihn aus seinem Nickerchen.
    Er
riss die Flinte herum und legte an. Dann warf er einen Blick auf die Uhr - sein
Nickerchen hatte volle vierzig Minuten gedauert. Links von ihm, dort, wo sein
Vater saß, sah er ein paar hüpfende weiße Schwänze eilig entschwinden. Zehn
Minuten vergingen, ohne dass er etwas von John gehört hätte. Offenbar war sein
erster Schuss fehlgegangen, und er wartete immer noch auf seinem Hochsitz.
     
Eine Stunde verging ohne weitere Sichtung, und es fiel ihm schwer, die Augen
offen zu halten.
     
Thanksgiving. Offiziell blieben die Büros von Scully & Pershing
geschlossen, aber er wusste, dass ein paar lässig in Jeans und Stiefel
gekleidete Streber da sein und fleißig Stunden in Rechnung stellen würden.
Einige der Partner würden ebenfalls hart arbeiten, um ihre Termine halten zu können.
Er schüttelte den Kopf.
     
Ein Geräusch näherte sich, Schritte eines Mannes, dem es offenbar egal war, wie
viel Lärm er machte. Bald stand John McAvoy unter der Ulme. "Gehen
wir", sagte er. "Hinter dem Feld fließt ein Bach, an den das Wild zur
Tränke kommt."
    Kyle
kletterte vorsichtig von seinem Hochsitz.
    "Hast
du den Hirsch nicht gesehen?", fragte er, als Kyle unten war.
    "Nein."
    "Keine
Ahnung, wie du den verpassen konntest. Der ist dir doch direkt vor die Flinte
gelaufen."
    "Der,
auf den du geschossen hast?"
    "Ja.
Das war mindestens ein Zehnender."
    "Du
hast ihn aber auch nicht erwischt."
    Sie
gingen zum Pick-up zurück und holten die Thermoskanne.
    Als
sie auf der Ladeklappe saßen, starken Kaffee aus Pappbechern tranken und die
letzten Müsliriegel verputzten, sagte Kyle: "Dad, ich will nicht mehr
jagen gehen. Ich muss mit dir reden."
    Sein
Vater hörte zuerst ruhig zu, dann zündete er sich eine Zigarette an. Als Kyle
die Ermittlungen wegen der angeblichen Vergewaltigung schilderte, erwartete er
jeden Augenblick die unangenehme Frage, warum er sich nicht an seinen Vater
gewandt hatte. Aber John McAvoy lauschte wortlos und gespannt, als hörte er die
Geschichte nicht zum ersten Mal und hätte Kyles Geständnis erwartet.
      
Zum ersten Mal zeigte er Ärger, als Bennie Wright ins Spiel kam.
"Erpressung", sagte er und zündete sich eine zweite Zigarette an.
"Verdammt noch mal!"
     "Bitte
hör dir alles bis zu Ende an", bat Kyle und stürzte sich in seine
Geschichte. Die Einzelheiten sprudelten geradezu aus ihm heraus, und mehrmals
hob er die Hand, damit ihn sein Vater nicht unterbrach. Nach einer Weile
resignierte John McAvoy und lauschte ungläubig, aber wortlos. Das Video, Joey,
Baxter, der Mord, Trylon und Bartin, der Geheimraum im siebzehnten Stock. Die Treffen
mit Bennie Wright, Nigel, der Plan, die Dokumente zu entwenden und der
gegnerischen Partei in die Hände zu spielen. Und schließlich die Hinzuziehung
von Roy Benedict und die Einschaltung des FBI.
      
Kyle

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