Grisham, John
würde."
"Aber,
aber ... "
"Hören
Sie, ich bin müde. Ich will nach Hause."
"Wie
sehen Ihre Pläne für die nächsten Tage aus?", erkundigte sich Wright.
"Morgen
gehe ich bis etwa fünf Uhr ins Büro, dann nehme ich den Zug nach Philadelphia,
miete ein Auto und fahre nach York. Am Donnerstag bin ich bei meinem Vater zum
Thanksgiving- Essen eingeladen. Spät am Freitagnachmittag bin ich dann wieder
in der Stadt, und Samstag früh sitze ich im Büro. Reicht das?"
"Wir
treffen uns am Sonntagabend", sagte Wright. "Bei Ihnen oder bei
mir?"
"Einzelheiten
erfahren Sie noch."
"Frohes
Thanksgiving, Leute", sagte Kyle, als er den Raum verließ.
Kyle
hängte zwei wasserdichte Allzweck-Trenchcoats an die Tür seines neuen Büros.
Der eine war schwarz, der andere hellbraun. Den schwarzen trug er jeden Tag,
auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause und wenn er in der Stadt unterwegs war.
Den hellbraunen benutzte er kaum; er blieb den seltenen Gelegenheiten
vorbehalten, wenn er seine Verfolger wirklich abschütteln wollte. Am Mittwoch
um 14.30 Uhr hängte er ihn sich über den Arm und fuhr mit dem Aufzug in den
ersten Stock. Dann nahm er einen Lastenaufzug in den Keller, zog den Trenchcoat
an und schlängelte sich durch Reihen dicker Installationsrohre, Elektrokabel
und Heizanlagen bis zu einer Metalltreppe. Dort wechselte er ein paar Worte mit
einem Techniker, mit dem er sich gelegentlich unterhielt. Er tauchte in einer
engen Durchfahrt auf, die den Wolkenkratzer von dem fünfzigstöckigen Gebäude
daneben trennte. Zehn Minuten später spazierte er in das Büro von Roy Benedict.
Sie hatten sich am Telefon kurz unterhalten, und Kyle war nicht wohl bei ihrem
Plan.
Ganz im Gegensatz zu Roy Benedict. Er hatte die Akte studiert, Fakten und
Fragen abgewogen und die Situation analysiert. Jetzt war er bereit zu handeln.
"Ich
habe einen Freund beim FBI", begann er. "Einen Freund, dem ich blind
vertraue. Wir haben vor Jahren zusammengearbeitet, bevor ich Anwalt wurde, und
obwohl wir jetzt auf verschiedenen Seiten stehen, vertraue ich ihm mehr denn
je. Er hat eine wichtige Schlüsselposition hier im New Yorker Büro."
Kyles Gedanken wanderten unwillkürlich zu seiner letzten Begegnung mit dem FBI.
Falsche Namen, falsche Dienstmarken, eine lange Nacht in einem Hotelzimmer mit
Bennie Wright. "Ich höre", sagte er skeptisch.
"Ich
möchte, dass wir uns mit ihm treffen und die Karten auf den Tisch legen. Wir
müssen völlig offen sein."
"Was
wird er tun?"
"Es
sind Straftaten begangen worden. Es werden weiterhin Straftaten begangen. Es
werden Straftaten geplant. Und zwar keine Kleinigkeiten. Vermutlich wird er
genauso entsetzt sein wie ich. Ich gehe davon aus, dass sich das FBI
einschaltet."
"Sie
denken, das FBI schnappt sich den lieben Bennie?"
"Mit
Sicherheit. Wollen Sie den Kerl nicht hinter Schloss und Riegel sehen?"
"Für
den Rest seiner Tage. Aber er hat ein gewaltiges Netz finsterer Gestalten
hinter sich."
"Das
FBI weiß, wo es seine Fallen auslegen muss. Gelegentlich geht mal was daneben,
aber im Großen und Ganzen arbeiten die sehr erfolgreich. Ich habe die ganze
Zeit mit ihnen zu tun, Kyle. Ich weiß, wie intelligent diese Leute sind. Falls
ich jetzt mit ihnen rede, werden sie das Terrain unauffällig infiltrieren und
die Basis legen. Das FBI kann eine ganze Armee einsetzen, wenn es das für nötig
hält. Genau das brauchen Sie im Augenblick."
"Danke."
"Sie
müssen mir die Erlaubnis erteilen, mit dem FBI zu reden."
"Besteht
die Möglichkeit, dass sie die Sache nicht weiterverfolgen?"
"
Ja, aber ich bezweifle es."
"Wann
reden Sie mit Ihrem Freund?"
"Vielleicht
schon heute Nachmittag." Kyle zögerte nur kurz. "Tun wir es."
Kpitel
33
Es war schon fast Mitternacht, als Kyle leise durch die unversperrte Küchentür
seines Elternhauses in York schlüpfte. Kein Licht brannte. Sein Vater wusste,
dass er spät kommen würde, aber John McAvoy ließ sich von nichts und niemandem
in seinem Schlaf stören. Zack, der uralte Border Collie, der jeden Eindringling
gleich ins Herz schloss, erhob sich mühsam von seinem Kissen in der Essecke, um
ihn zu begrüßen. Dankbar, dass er den Hund noch einmal sehen durfte, rieb Kyle
ihm den Kopf. Zacks Alter und genauer Stammbaum waren nie geklärt worden. Er
war ein Geschenk von einem Mandanten gewesen, ein Teil des Honorars, und
verbrachte seine Tage am liebsten unter John McAvoys Schreibtisch, wo er alle
möglichen rechtlichen Probleme
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