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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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entschuldigte sich mehrfach dafür, dass er sich seinem Vater nicht
anvertraut hatte. Er gestand seine Fehler ein, die zu zahlreich waren, als dass
er sie alle hätte nennen können. Er gab seine innersten Gefühle preis, und als
er - Stunden später, wie ihm schien - fertig war, stand die Sonne hoch am Himmel,
der Kaffee war längst ausgetrunken, das Wild vergessen.
    "Ich
glaube, ich brauche Hilfe", sagte Kyle.
     "Du
verdienst einen Tritt in den Hintern, weil du mir nichts davon erzählt
hast."
    "Stimmt."
    "Ach,
Junge. Was für ein Schlamassel."
    "Mir
blieb keine Wahl. Ich hatte panische Angst vor dem Video, und der Gedanke, dass
noch einmal wegen Vergewaltigung gegen mich ermittelt werden könnte, war
einfach zu viel für mich. Wenn du das Video sehen könntest, würdest du das
verstehen."
     
Sie ließen die Flinten im Auto, suchten sich einen schmalen Pfad und brachen zu
einer langen Waldwanderung auf.
    Der
Truthahn für das Festmahl war mitsamt Soße und allem Drum und Dran bei einem
Feinkostladen bestellt worden, der Kunden belieferte, die sich selbst den
Stress ersparen wollten. Während John den Esstisch deckte, fuhr Kyle los, um
seine Mutter abzuholen.
     
Patty öffnete lächelnd die Tür und nahm ihn lange in die Arme. Sie war
aufgestanden und hatte ihre Medikamente genommen. Kyle musste unbedingt durch
die Wohnung geführt werden und ihre neuesten Meisterwerke bewundern.
Schließlich brachte er sie zur Tür und nach unten zu seinem Mietwagen, mit dem
sie die kurze Strecke durch York führen. Sie hatte Lippenstift und Make-up
aufgelegt und trug ein hübsches orangefarbenes Kleid, an das sich Kyle noch aus
seinen Teenagertagen erinnerte. Ihr Haar war frisch gewaschen, ordentlich
gekämmt und fast weiß. Sie schnatterte ununterbrochen über Bekannte aus längst
vergangenen Tagen und hüpfte mit einer Beliebigkeit, die unter anderen
Umständen komisch gewesen wäre, von einem Thema zum anderen.
     
Kyle war erleichtert. Er hatte halb damit gerechnet, dass sie ihre Medikamente
nicht genommen hatte und nicht ansprechbar war. Seine Eltern begrüßten einander
mit einer höflichen Umarmung, und die kleine Familie kämpfte sich mühsam durch
die letzten Nachrichten von den Zwillingsschwestern, von denen keine im letzten
Jahr in York gewesen war. Die eine lebte in Santa Monica, die andere in
Portland. Sie riefen beide an und reichten das Telefon herum. Im Fernsehzimmer
lief ein Footballspiel, aber der Ton blieb ausgeschaltet. Am Esstisch füllte
Kyle drei Weingläser, obwohl seine Mutter ihres nicht anrühren würde.
     "Du
trinkst neuerdings Wein", stellte John fest, während er den kleinen
Truthahn auf den Tisch stellte.
    "Wenig",
erwiderte Kyle.
      
Die beiden Männer bedienten Patty, bemühten sich um sie und taten alles, damit
sie sich wohl fühlte. Sie plapperte von ihrer Kunst und von Vorfällen, die sich
vor Jahren in York ereignet hatten. Es gelang ihr, ein paar Fragen über Kyle
und seine Arbeit in New York zu stellen, und er schilderte sein Leben in
leuchtenden Farben. Nach Kuchen mit Pecannüssen und Kaffee wollte sie nach
Hause, zu ihrer Arbeit. Sie sei müde, sagte sie, und Kyle verfrachtete sie eilig
ins Auto und fuhr sie zu ihrer zehn Minuten entfernten Wohnung.
    Ein
Footballspiel folgte auf das andere. Kyle saß auf dem Sofa, sein Vater in
seinem Fernsehsessel, und wenn sie nicht gerade eingenickt waren, sahen sie
sich die Spiele an, ohne viel zu reden. Was ungesagt geblieben war, hing schwer
in der Luft, Fragen, die kamen und gingen, Pläne, die besprochen werden
mussten. John McAvoy hätte seinem Sohn gern die Leviten gelesen und ihn
ordentlich angebrüllt, aber im Augenblick war Kyle zu verletzlich und brauchte
ihn zu dringend.
    "Lass
uns einen Spaziergang machen", sagte Kyle, als es fast dunkel war.
"Wohin denn?"
    "
Um den Block. Ich muss mit dir reden."
    "Können
wir nicht hier reden?"
    "Lass
uns gehen."
    Sie
packten sich warm ein und nahmen Zack an die Leine. "Tut mir leid, aber
ich führe ungern ernsthafte Gespräche in geschlossenen Räumen", sagte Kyle
draußen auf dem Gehsteig.
      
Sein Vater zündete sich mit den flüssigen Bewegungen des langjährigen Rauchers
eine Zigarette an. Seine Koordination war perfekt, er geriet nicht einmal aus
dem Tritt. "Ich wage kaum zu fragen, warum."
    "Wanzen,
Mikros, miese kleine Gauner, die Gespräche abhören."
    "Nur
zur Klarstellung: Du denkst, die haben mein Haus verwanzt?"
     
Sie schlenderten durch die Straße, in der Kyle aufgewachsen war. Er

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