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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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war
ein Witz, und alle Praktikanten wussten, was los war. Sie wurden hofiert. Wenn
sie den Köder schluckten und die Strategie der Kanzlei aufging - was fast immer
der Fall war -, wurden sie nach dem Examen angestellte Anwälte, und damit war
ihr Leben praktisch gelaufen.
     
Kurz vor zehn, er war allein im Aufzug. Die Anwälte saßen seit Stunden an ihren
Schreibtischen. Er stieg im neunundzwanzigsten Stock aus. Hier gab die Kanzlei
ihre Visitenkarte ab, und er nahm sich einen Augenblick Zeit, um die riesigen
Bronzebuchstaben zu bewundern, die den Besucher davon in Kenntnis setzten, dass
er die heiligen Hallen von Scully & Pershing betrat. Zweitausendeinhundert
Rechtsanwälte. Die größte Kanzlei weltweit, die erste und einzige mit über zweitausend
Anwälten. Unter den Mandanten mehr Fortune-500-Unternehmen, als die Konkurrenz
bekommen hatte. Niederlassungen in zehn amerikanischen und zwanzig
ausländischen Städten. Einhundertdreißig Jahre Tradition, einhundertdreißig
Jahre Borniertheit. Ein Magnet für die besten Juristen, die man mit Geld
bezahlen konnte. Macht, Geld, Prestige.
    Er
fühlte sich wie ein unerwünschter Eindringling.
     
An den Wänden abstrakte Malerei, die Möbel funktional und modern. Für die
Innenarchitekfür - wie aus dem Designermagazin - zeichnete ein asiatisches
Wunderkind verantwortlich. Auf einem Tisch lag eine Broschüre, in der die
Details erklärt wurden. Als hätte jemand, der hier arbeitete, die Zeit, sich
über die Nuancen der Innenarchitekfür Gedanken zu machen. Eine umwerfende
kleine Empfangsdame auf Stilettos notierte seinen Namen und bat ihn höflich,
einen Moment zu warten. Er vergaß alles um sich herum und versenkte sich in die
Betrachtung eines Kunstwerkes, doch es war so bizarr, dass er sich keinerlei
Reim darauf machen konnte. Nach ein paar Minuten verzweifelten Rätselns hörte
er die Stimme der Empfangsdame. "Mr Peckham erwartet Sie. Zwei Stockwerke
nach oben." Er nahm die Treppe.
      
Wie bei etlichen Kanzleien in Manhattan floss auch bei Scully & Pershing
viel Geld in das Design der Aufzüge, in die Gestaltung der Empfangsbereiche und
Konferenzräume - die Orte, wo Mandanten und andere Besucher hofiert wurden-,
doch in den unsichtbaren Bereichen, wo wirklich geschuftet wurde, war nüchterne
Effizienz angesagt. In den Fluren standen Aktenschränke an den Wänden.
Sekretärinnen und Schreibkräfte arbeiteten in engen, durch Sperrholzwände
abgetrennten Kabinen. Die Jungs an den Kopierern und andere Handlanger
arbeiteten im Stehen - die Mieten in New York waren einfach zu hoch, um ihnen
ein eigenes Plätzchen zu gönnen. Die langjährigen angestellten Anwälte und die
Juniorpartner hausten in kleinen Büros, durch deren Fenster sie auf ähnliche
Gebäude blickten.
      
Die neuen Anwälte arbeiteten zu dritt oder zu viert in engen, fensterlosen
Verschlägen, die von den Insassen "Zellen" oder "Boxen"
genannt wurden und die kein Besucher je zu Gesicht bekam. Lausige
Unterbringung, bruYale Arbeitszeiten, sadistische Vorgesetzte, unerträglicher
Druck - das gehörte bei Kanzleien dieser Kategorie dazu. Schon vor dem Ende des
ersten Studienjahres in Yale waren Kyle entsetzliche Geschichten zu Ohren
gekommen. Bei Scully & Pershing war es nicht besser, aber mit Sicherheit
auch nicht schlimmer als bei anderen Megakanzleien, die die besten Juraabsolventen
rekrutierten und durch Arbeit zugrunde richteten.
      
In den Eckbüros, den größten Räumen, residierten die wichtigen Partner, die
sogar ein gewisses Mitspracherecht bei der Innenausstattung hatten. Einer von
ihnen war Doug Peckham, ein einundvierzigjähriger Prozessanwalt mit einem
Abschluss in Yale, der während des Praktikums für Kyle zuständig gewesen war.
Zwischen ihnen herrschte so etwas wie ein freundschaftlicher Umgangston.
     
Als Kyle ein paar Minuten nach zehn hereingebeten wurde, verließen eben zwei
angestellte Anwälte das Büro. Was immer bei dem Treffen besprochen worden war,
gut gelaufen war es nicht. Die bei den Junganwälte schienen durcheinander zu
sein, und Peckham versuchte, sich zu beruhigen.
     
Nachdem sie sich die Hand gegeben und ein paar Nettigkeiten ausgetauscht
hatten, folgte das übliche Gerede über Yale, die gute alte Alma Mater. Kyle
wusste, dass Peckham achthundert Dollar pro Stunde einstrich, und deshalb war
die Zeit, die er ihm stahl, ziemlich wertvoll. Also kam er relativ schnell zur
Sache. "Ich bin nicht sicher, ob ich Lust habe, zwei Jahre als
Rechtshilfeberater zu

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