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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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wenn
nicht länger. Warum soll es da notwendig sein, mich permanent zu
observieren?"
    "Wir
haben unsere Vorgehensweise."
     "Die
lässt sich ändern. Meine Bedingungen sind nicht verhandelbar." Kyle sprang
auf und ging zur Tür. "Wann findet das nächste Treffen statt?"
    "Wo
wollen Sie hin?", fragte Wright, der ebenfalls aufstand.
    "Geht
Sie nichts an. Und wie gesagt, niemand folgt mir." Seine Hand lag auf der
Türklinke.
    "Okay,
okay. Wir werden uns in diesem Punkt flexibel zei- gen. Ich verstehe schon, was
Sie meinen."
    "Wo
und wann?"
    "
Jetzt."
    "Nein,
ich habe etwas zu erledigen. Und zwar ohne Schat-
    ten."
    "Wir
müssen über vieles reden."
    "Wann?"
    "Wie
wär's mit heute Abend um sechs?"
    "Ich
komme um acht, aber nur für eine Stunde. Und morgen sehen Sie mich gar
nicht."
     
    Kapitel
7
           
Um 7.22 Uhr morgens stieg Kyle in den Zug von New Haven nach New York. Er trug
den besseren seiner beiden Anzüge, ein weißes Hemd mit einer absolut
langweiligen Krawatte und schwarze Halbschuhe. In der Hand hielt er eine
respektable Aktentasche, die sein Vater ihm letztes Jahr zu Weihnachten
geschenkt hatte, unter dem Arm klemmten die Morgenausgaben der New York Times
und des Wall Street Journal. Er unterschied sich in nichts von den
verschlafenen Führungskräften, die auf dem Weg ins Büro waren.
      
An den Zeitungen hatte er im Moment jedoch kein Interesse. Während die
verschneite Landschaft am Fenster vorbeizog, ließ er seine Gedanken schweifen.
Er fragte sich, ob er eines Tages auch außerhalb der Großstadt leben und
gezwungen sein würde, jeden Tag drei Stunden im Zug zu verbringen, damit seine
Kinder gute Schulen besuchen und in von Bäumen gesäumten Straßen Fahrrad fahren
konnten. Mit fünfundzwanzig waren das keine besonders verlockenden Aussichten.
Die Gedanken an die Zukunft waren kompliziert und trübselig. Er konnte von
Glück sagen, wenn er nicht angeklagt wurde und/oder seine Anwaltszulassung
verlor. Die Arbeit in einer großen Kanzlei war hart genug, doch er würde bald
zusätzlich mit der fast unerträglichen Belastung konfrontiert sein, während der
anstrengenden ersten Jahre vertrauliche Informationen stehlen zu müssen. Ihm
würde nichts anderes übrig bleiben, als täglich zu beten, dass er nicht
geschnappt wurde.
     
Verglichen damit, war das Leben der anderen Pendler vielleicht gar nicht so
schlecht.
     
Nach drei Tagen, in denen sie etliche Stunden geredet, gefeilscht und sich
beschimpft und bedroht hatten, war Bennie Wright schließlich aus der Stadt
verschwunden. Er hatte sich in den Schatten zurückgezogen, doch es würde
sicherlich nicht lange dauern, bis er erneut auftauchte. Kyle hasste Wrights
Stimme, seine Mimik, sein manieriertes Verhalten, die ruhigen, zu stark
behaarten Hände, die Pomade in seinen verbliebenen Haaren, seine vor
Selbstbewusstsein strotzende Art, seine Methoden, andere unter Druck zu setzen.
Er hasste alles an diesem Mann und seiner Organisation, was immer genau man
sich darunter vorzustellen hatte. Wie oft hatte er während der vergangenen
Woche mitten in der Nacht seine Meinung geändert und beschlossen, Wright und
dessen Leute zum Teufel zu jagen.
     
Doch dann glaubte er in der Finsternis zu spüren, wie sich Handschellen um
seine Gelenke schlossen. Vor seinem geistigen Auge sah er das Verbrecherfoto in
den Zeitungen, die Mienen seiner Eltern und - was am schlimmsten war - sich
selbst im Gerichtssaal, wo alles den Atem anhielt, als das Video gezeigt wurde.
Er war unfähig, den Geschworenen in die Augen zu blicken.
      
Ist sie wach?, fragte Joey Bernardo, während Baxter Tate auf dem Sofa mit
Elaine beschäftigt ist.
    Ist
sie wach? Die Worte hallten durch den Gerichtssaal.
     
Die Landschaft verschwand, der Zug raste durch die Vororte, in die Erde hinein
und unter dem East River hindurch nach Manhattan. Kyle schlenderte durch die
Grand Central Station und winkte an der Ecke Lex und Forty-fourth Street ein Taxi
herbei. Nicht ein einziges Mal hatte er einen Blick über die Schulter geworfen.
     
Scully & Pershing hatte die ganze obere Hälfte eines Gebäudes gemietet, das
"UO Broad" hieß. Es war ein schlanker Bürofürm mit Glasfront und
dreiundvierzig Stockwerken mitten im Finanzdistrikt. Im letzten Sommer hatte
Kyle hier zehn Wochen als Praktikant verbracht. Die Großkanzlei hatte den Köder
ausgeworfen. Viel Geplauder, gemeinsame Restaurant und Barbesuche, die Spiele
der Yankees. Zwischendurch wurde auch mal ein bisschen gearbeitet, doch das

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