Grisham, John
weiter.
Unter "Vielfalt" waren die Berufseinsteiger nach Geschlecht,
ethnischer Zugehörigkeit und Religion aufgeführt: einundsiebzig Männer,
zweiunddreißig Frauen; fünfundsiebzig Weiße, dreizehn Afroamerikaner, sieben
Latinos, fünf Asiaten, drei sonstige; achtundfünfzig Protestanten,
zweiundzwanzig Katholiken, neun Juden, zwei Muslime, zwölf ohne Angabe von
Religionszugehörigkeit. Jeder neue Mitarbeiter war mit einem kleinen
Schwarz-Weiß-Foto und einem kurzen Lebenslauf verzeichnet. Die
Eliteuniversitäten dominierten, aber auch andere führende Hochschulen wie die
New York University, Georgetown, Stanford, Michigan, Texas, Chicago, North
Carolina, Virginia und Duke waren vertreten. Von einer zweitrangigen
Universität kam niemand.
Kyle saß in einer Gruppe von Yale-Absolventen und spielte in Gedanken mit den
Zahlen. Aus Harvard waren vierzehn da, und obwohl sie im Moment noch nicht von
den anderen zu unterscheiden waren, würde es nicht lange dauern, bis die
Übrigen wussten, wer sie waren. Fünf aus Yale. Keiner aus Princeton, weil
Princeton keine juristische Fakultät besaß. Neun von der Columbia.
Mit einhundertdrei neuen Mitarbeitern, die jeweils ein Anfangsgehalt von
zweihunderttausend Dollar pro Jahr bekamen, saß hier für über zwanzig Millionen
Dollar frisches juristisches Talent im Saal. Das war viel Geld, aber in den
kommenden zwölf Monaten würde jeder Einzelne mindestens zweitausend Stunden á
dreihundert bis vierhundert Dollar in Rechnung stellen. Die Stundenzahl dürfte
individuell variieren, doch man konnte mit Sicherheit sagen, dass dieser
Jahrgang der Firma im ersten Jahr mindestens fünfundsiebzig Millionen Dollar
Einnahmen bescheren würde. Diese Zahlen standen nicht in der dicken Mappe, aber
das ließ sich leicht errechnen.
Auch andere Zahlen fehlten. Von den einhundertdrei würden am Ende des zweiten
Jahres fünfzehn Prozent gehen. Nur zehn Prozent würden am Ende überleben und
nach sieben oder acht Jahren Partner werden. Die Ausschussrate war extrem hoch,
aber der Kanzlei war das gleich. Die Quellen neuer, unverbrauchter Arbeitskraft
waren unerschöpflich, selbst solche wie Harvard oder Yale.
Um 8.30 Uhr betraten mehrere ältere Männer den Saal und nahmen auf dem schmalen
Podium Platz. Der geschäftsführende Partner, Howard Meezer, trat zum Rednerpult
und hielt eine ausgefeilte Willkommensansprache, die er mit Sicherheit nach
Jahren der Wiederholung auswendig konnte. Nachdem er den Neuen erzählt hatte,
wie sorgfältig sie ausgewählt worden seien, erging er sich ein paar Minuten
lang in Lobeshymnen auf die Firma. Anschließend umriss er den Ablauf der
kommenden Woche. Die nächsten beiden Tage würden sie in diesem Saal verschiedene
Vorträge über alle Aspekte ihrer neuen Stelle und ihres Lebens bei der
traditionsreichen Kanzlei Scully & Pershing hören. Der Mittwoch gehörte
einem Computer- und Technologietraining. Am Donnerstag würden sie in kleinere
Gruppen aufgeteilt, um in bestimmte Fachgebiete eingeführt zu werden. Die Ödnis
des Berufsalltags nahte mit großen Schritten.
Der nächste Redner widmete sich Gehalt und Arbeitgeberleistungen. Anschließend
trat der Bibliothekar ans Pult und referierte eine zähe Stunde lang über
Rechtsrecherche. Ein Psychologe sprach über Stress und Druck und gab den
freundlichen Rat, so lange wie möglich Single zu bleiben. Wer verheiratet und
unter dreißig sei, den erwarte bei den zehn führenden New Yorker Großkanzleien
ein Scheidungsrisiko von derzeit zweiundsiebzig Prozent. Die Monotonie der
Vorlesungen wurde vom "Technologieteam" unterbrochen, das schicke
neue Laptops für alle austeilte. Im Anschluss daran folgte eine längere
Einweisung.
Als die Laptops warm gelaufen waren, teilte ein weiterer technischer Berater
das berühmt-berüchtigte FirmFone aus. Es ähnelte den meisten Smartphones, die
aktuell auf dem Markt waren, war aber speziell auf die schwer schuftenden
Anwälte von Scully & Pershing zugeschnitten - von einer Softwarefirma, die
die Kanzlei vor rund zehn Jahren mit großem Erfolg an die Börse gebracht hatte.
Es enthielt Kontaktdaten und Lebenslauf von jedem Anwalt der Kanzlei, in allen
dreißig Niederlassungen, dazu die Daten sämtlicher Sekretärinnen und
Assistenten - das waren allein in New York fast fünftausend Personen.
Gespeichert waren außerdem detaillierte Informationen über alle Mandanten von
Scully & Pershing, eine kleine Datenbank mit den am häufigsten
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