Größenordnung Götterwind
nach der Unterquerung der Küstenlinie die große Hauptschleusenstation von Calthurion erreichen.
Städte dieser Art gab es seit Beginn des 21. Jahrhunderts auf der ganzen Welt. Man fand sie vor der kalifornischen Küste ebenso wie weit im Norden vor den norwegischen Inselketten. Die Bevölkerungsexplosion hatte die Menschheit gezwungen, nicht nur nach neuartigen Wohngebieten zu suchen, sondern überdies nach solchen, die auch Nahrung boten.
Ich kannte Calthurion nur aus Toterlays Erinnerungen; und die waren nicht schön. Er hatte sich dort unten eingeengt und seiner persönlichen Freiheit beraubt gefühlt.
Außerdem hatte er seine üblichen Tobsuchtsanfälle bekommen, anderen Leuten Prügel angedroht und Alkoholorgien gefeiert. Wenn ich daran dachte, daß er eine große Flasche Whisky vertrug, wurde mir schon übel. Hoffentlich mußte ich das nie demonstrieren.
Der Oberflächenbahnhof der Unterseestadt war ein großzügig gestalteter, überwiegend flach gehaltener Gebäudekomplex in modernem Baustil. Man hatte sich nach euro-amerikanischen Mustern orientiert und auf alles verzichtet, was die alte Kultur der Insel hätte versinnbildlichen können.
Es gab weder tempelartige Konstruktionen noch künstlerische Dokumentationen über die Aufgabe der Sekte. Kalt, nüchtern aber technisch faszinierend lag der Komplex vor uns.
Wir traten in eine weite Halle ein. Hinter uns schlossen sich die Drucktüren der Klimaschleuse. Innen herrschten angenehme Temperaturen und eine wesentlich geringere Luftfeuchtigkeit.
Die Fahrgastabfertigung war vollelektronisch. Wir schoben unsere internationalen Kreditkarten in den Schlitz, bestimmten den Endbahnhof als Ziel und erhielten zwei ovale Marken. Sie öffneten den Zugang zu den beiden Bahnsteigen.
Wir passierten die Sperre, durchschritten die Sicherheitsschleuse mit ihren Waffendetektoren und konnten dann endlich die Rolltreppe zum vorderen Bahnsteig betreten.
Bis hierhin war alles ordnungsgemäß verlaufen, doch am Ende der Rolltreppe begannen die Schwierigkeiten.
Sie wurden von drei Wissenschafts-Priestern Erster Ordnung verkörpert.
Sie trugen weite, knöchellange Gewänder von tunikaähnlichem Schnitt. Ihrem Rang entsprechend, war die Farbe hellgrün. Die Füße steckten in geschlossenen, reichgestickten Mokassins.
Ich ging langsamer. Kannte Marcus Owen Toterlay die drei Männer? Hatte er sie zu kennen? Ich forschte schleunigst in meinem Gedächtnis nach.
Ja, sie waren in seinem Bewußtsein verankert gewesen. Besonders der ältere Mann in der Mitte war für Toterlay ein Begriff.
Er war hochgewachsen, schmal, asketisch wirkend, aber offenbar kein Inder oder Ceylonese. Sein schwarzes Haar trug er in der Form einer steifen, bürstenartigen Sichel. Sie begann über der Stirn und endete im Nacken. Die restliche Kopfhaut war kahlgeschoren. Er hätte ein nordamerikanischer Indianer aus den alten Neuengland-Gebieten sein können, aber das war er nicht.
Seinen Geburtsnamen hatte Toterlay nie erfahren, dafür aber seine offizielle Bezeichnung, die im Rahmen der Sektengepflogenheiten eindeutig auf seinen hohen Stand und seine leitende Funktion hindeutete.
Es war der »Naahrgar«, gleichbedeutend mit Handlungsbevollmächtigtem, Generaldirektor oder in diesem Fall mit dem höchsten Würdenträger. Er hatte zusammen mit wenigen anderen Männern die Geschicke des Bundes zu bestimmen. Er war eine enorm wichtige Persönlichkeit, die Anordnungen jeder Art treffen konnte.
»Vorsicht!« warnte Hannibal telepathisch. »Ein Ungar, Name Jonosch Skartzy! Mitbegründer der Sekte, jetzt oberster Chef. Fähiger Biochemiker, früher ordentlicher Professor in Europa, dann verschwunden, bis er hier wieder auftauchte. Ich werde ihn – verdammt, der Knabe ist para-immun!«
Die Erkenntnis traf mich schockartig. Ich verhielt den Schritt, um diesen Schlag erst einmal zu verarbeiten. Mir wurde plötzlich klar, warum meine telepathischen Tastversuche ergebnislos verlaufen waren.
Was hatte ich zu Hannibal gesagt? »Gib mir zwei bis drei führende Leute der Sekte, und ich weiß fünf Minuten später, was man zu verbergen hat!«
Und nun stand ich vor dem mächtigsten Mann und konnte ihn nicht bezwingen. Wenn jemand die Geheimnisse des Calthur-Bundes kannte, dann war er es.
Ich tastete hastig nach seinen beiden Begleitern. Sie waren jünger, aber ebenfalls parataub.
Wie hatten sie das gemacht? Operativ, durch Medikamente, technische Abschirmungen, oder waren sie selbst weit fortgeschritten? Konnten sie
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