Größenwahn
er ihm ein Zeitungsblatt überreichte. »Doch nein, bewahren Sie ein würdiges Schweigen. Das ist vornehmer. Vornehm sein – darin liegt Alles. Seien wir vornehm!«
Krastinik las.
Kavalier-Poesie.
Es giebt eine gewisse Presse, die dem nicht mehr ungewöhnlichen Sport sich hingiebt, reiche und vornehme Leute, die in ihren Mußestunden der sogenannten Muse opfern, in die thätlich werdende Literatur hineinzuzerren.
Solche bevorzugten Geister – sei es nun, daß sie umfangreiche Banquiergeschäfte betreiben, oder Villen in Italien oder sonstwo besitzen, sei es, daß sie sich des Prinzentitels oder doch wenigstens irgend einer andern hohen Geburt erfreuen – werden dann sorgfältig als »Dichter« präparirt. Sie bilden den »neuen hoffnungsvollen Nachwuchs«, welchen man den alten Berühmtheiten, vor denen man sonst auch unterthänigst katzbuckelt, mit triumphirendem Reklamegeschrei gegenüberstellt. Es wird daher leicht begreiflich scheinen, wenn gemeine Sterbliche, welche ohne den Vorzug des Reichthums und hoher Geburt als »Literaten« auftreten, solchen »neuen Byrons,« »deutschen Flauberts,« »Berliner Shakespeares« und vor allem jener gräßlichen Wereschagin-Sorte, die »zugleich ein Sänger und ein Held« die Unreife ihrer Produkte durch prahlerische Ich-Reminiscenzen verbrämt, mit grimmigem Mißtrauen begegnen.
Nun, jetzt hat man uns den Dichter Xaver Graf von Krastinik entdeckt.
Schon das Hervorheben seiner »vornehmen Weltabsonderung« – die trotzdem die betreffenden M.S. in die Hände der Recensenten fallen ließ – wirkte bedenklich.
Wir kennen sie, diese großen Seelen, diese vornehmen Naturen, welche ihren Größenwahn in der Einsamkeit verstecken (warum publiziren sie denn, da sie's ja »doch nicht nöthig haben?«) und nur mitleidig hier und da ein Wörtchen davon fallen lassen, daß der hochstrebende gedankentiefe Idealismus ihrer heimlichen Dichtersünden natürlich bei solchen Verlegern, Theaterdirektoren u.s.w. keinen Anklang finden könne. Diese »Vornehmheit«, wozu sich noch die bekannte Wereschagin'sche »Bescheidenheit« (diese frechste aller Streberlügen) gesellt, verfehlt nicht ihren Zweck. Eine stets zu solcher Handlaugerei bereite Corybautenrotte trägt den neuen Götzen in die Arena und steckt mit frenetischem Hosianna natürlich die thörichte Menge an. Jetzt kommt der gewöhnliche Verlauf der Farce. Statt des »Schiller'schen Gedankenfluges« erhalten wir elendige Coulissenrhetorik, mit raffinirtesten Bühnenmätzchen zugestutzt. Statt »byronischem Weltschmerz« die alten Affen des Titanismus. Aber es hält nicht lange. Der neue Schiller und weiß Gott was Alles und der dämonisch-byronische Hinker werden zum alten Eisen geworfen. »Des Kaisers neue Kleider.«
Denn in Berlin ist alles nur Modesache. Man muß den Moment ausnützen, länger als zwei Jahre dauert's ja doch nie.
Solche und ähnliche Befürchtungen konnten durch die Proben nicht zerstreut werden, die man uns aus Krastiniks Dichtungen bot. Dieselben waren theils ungenießhar, theils platt. Mit Recht hob allerdings ein Referent hervor, daß das Abwischen des Gesäß-Schweißes an seinem Trakehner nach einem Budapester Wettrennen, wie der Herr Graf dies in originell realistischen Versen schildert, von reicher Selbsterlebtheit zeuge. Nun, wir sind der denkbar größte Verehrer der Subjectivität. Aber, offen gestanden, scheint uns eine »Hymne an die Unsterblichkeit«, in der Dachkammer gedichtet, genau ebenso selbsterlebt und jedenfalls um 100 Procent gewichtiger.
Man verstehe uns recht. Gegen dies Abwischen in erträglichen Versen haben wir gar nichts. Aber dergleichen uns als besondere Genialität vorzuführen – dagegen haben wir ungemein viel. Denn hieraus resultiert eine Spezies, die man am besten als » Kavalier-Poesie « bezeichnen möchte. Nicht wahr, für das in prosaischen Tagesarbeiten hinschlendernde Publikum muß es ja ungeheuer interessant sein zu hören, wie ein »Graf« hoch zu Roß durchs Leben dahinbraust? Nein, mein werther Xaver Graf von Krastinik, daß Sie ein schöner Offizier und eleganter Sportsmann waren und davon, wie auch von etwaigen hochgeborenen und »gar nicht geborenen« Liebschaften, nicht uneben zu plaudern wissen – das macht Sie noch lange nicht zum Dichter, »zugleich ein Sänger und Held«. Aber daß Sie wirkliches und wahres poetisches Empfinden und Darstellungsvermögen besitzen, das erst adelt Sie zum Dichter .
Doch ich erlaube mir den ganz ergebensten
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