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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Vorschlag, den »Grafen« künftig auf dem Titelblatt wegzulassen. Es erweckt dies immer jenes ungünstige Vorurtheil, unter dem anfangs größere Dichter wie Sie: »Graf Platen«, »Graf Strachwitz«, und »Graf A. von Würtemberg« zu leiden hatten.
    Jaja, wenn wir mal 'was produciren sollten, so werden wir auf den Titel das Pseudonym »Arthur Graf Nirgendburg« setzen und unser Schloß verführerisch ausmalen. Wenn der biedere Recensent liest, wie der gnädige Graf auf Jagd gehn und leuteselig mit Dero Unterthanen verkehren so denkt Itzig: »Teufel noch mal! ›Schloß Nirgendburg in der Grafschaft Nirgendheim‹ – am Ende lädt er mich auch mal zur Jagd ein!« Und der neue Heinrich von Kleist ist fix und fertig.
    Unser Krastinik – wir wollen ihn mal mit Weglassung seines Titels beehren – läßt sich nur in der freien Dienstzeit herab, mit der Bürgerjungfrau Poesie ein wenig zu scharmuziren.
    Ja, Herr von Krastinik – Sie gestatten mir den »Grafen« fallen zu lassen – arbeiten Sie recht fleißig wie andere gemeine Sterbliche und es kann noch was aus Ihnen werden – trotzdem man Sie als »Graf« entdeckt hat.
     
    »Nun, was sagen Sie dazu?« Edelmann putzte wie gewöhnlich unterm Tisch seinen Kneifer, um als Maskirung schielend das Auge darauf zu richten, während er Krastiniks Gesicht beobachtete.
    »Gar nichts,« erwiderte der Graf kühl, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich lege das Blatt
ad acta.
Er ist ungerecht, aber auch hier Zeigt sich etwas – wie soll ich sagen: Die Tatze des Löwen«.
    Und dabei blieb er, trotzdem Haubitz darin »den Zahn der Schlange« erkennen wollte.
    Aristokraten werden von Jugend an auf Lebensklugheit eingedrillt, gerade durch das Pflegen der äußeren Lebensformen und die stete dadurch erzeugte Selbstzucht.
    Halb aus Vornehmheit, halb aus Klugheit, beschloß Krastinik daher, seinen Groll zu verbeißen. Es reiste doppelt in ihm der Wunsch, diesen seltsamen Rempeler, der schon die halbe Welt beleidigt hatte, kennen zu lernen.
     

II.
     
    »Gott, da sitzt der alte feudale Dondershausen!« rief Leonhart entsetzt, dessen krankhafte Adels-Idiosynkrasie die echte Vornehmheit vieler Kreise des deutschen Militairadels nicht kannte und daher sich auch leider nie curiren konnte, er hat mich gesehn. Ertragen nur die Prüfung. – »N Abend, Herr Oberst.«
    Der alte Offizier z.D. grüßte schon aus der Ferne von seinem Marmortischchen im Café Bauer, wo er allabendlich stammgastete, mit der Hand. »Nur immer 'ran aus Biwak, mein guter Leonhart. – Lämmerschreyer? Freut mich sehr. Sind Sie verwandt mit meinem alten Kameraden, General Lämmerschreyer? Nicht? schade.«
    »Ja, aber dafür ist er der Neffe des berühmten Malerheros Adolf v. Werther.«
    »O entzückt, das zu hören, mein guter Leonhart. Ah, Herr von Lämmerschreyer, wie gut müssen Sie da in die Berliner Gesellschaft eingeführt sein! Fühlung mit allerhöchsten Kreisen ...«
    Der alte Soldat mit den graugesprenkelten Bartcotelettes sah danach aus, als ob er seinem Burschen die Benutzung des Stiefelknechts als Wurfgeschoß oft genug erläutert habe und seinen Haushalt nach militairischen Disciplinbegriffen regele. Gleichwohl trug er liberale Anschauungen zur Schau, seitdem er trotz seines Wiedereintritts in die Armee nach seiner Verwundung bei Bapaume das bewußte blaue Briefchen empfangen, – wie das öfters der Fall sein soll. Das hinderte ihn natürlich nicht, nach oben hin Patriotisch die Augen zu verdrehen. Seine Spezialität bildeten »Hohenzollernlieder« und »Kornblumenweisen«; da ihn die bekannte Redseligkeit ausgedienter Militairs bewogen hatte, die Feder zur Hand zu nehmen.
    Er war eben ein »Idealist« von echtem Schrot und Korn, welcher auf Paul Heyse und Geibel schwor, auf die deutsche Frau minniglich toastete und sich für Heinrich voll Kleist begeisterte, sintemal derselbe von echtem altem Adel war.
    »Ich komme von den Meiningern,« hob er an, »aus dem Viktoriatheater. Diese Aufführung der ›Jungfrau von Orleans‹ – pompös! Bin einfach überwältigt. Wie herrlich hat Schiller die traurige Geschichte umgearbeitet und in ideale Verklärung gerückt! Ich erinnere mich, wie wir vom I. Corps in Rouen einrückten, beim Feldzug gegen Faidherbe, meine Herrn. Auf dem Platz, wo die Pucelle verbrannt wurde, spielten unsre Musikbanden vor ihrer Bildsäule und unsre siegreichen blauen Jungen defilirten. Ein unvergeßlicher Augenblick, meine Herrn, wo wir Offiziere an das Vaterlandsdrama unseres großen

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