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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zarten Mimosenhaftigkeit der Charakterskizzirung. Mir ist diese weichliche Schmerzenswollust, diese schwüle nervöse Sinnlichkeit, diese grelle, Effekthascherei zuwider.«
    »Hm, da steckt doch aber unter aller Koketterie etwas Wahres. Allerdings mehr bildkünstlerischer Formensinn, als eigentliches Dichterthum. Coloristische Makartereien. Doch bleibt er trotzdem ein reifes und in sich geschlossenes Talent.«
    »Aber kein ursprüngliches.«
    »Offen gestanden, wenn ich nur ein Urtheil erlauben darf,« meinte Krastinik, »scheint mir Wohlheim doch in seinen Romanen nur ein Lyriker, freilich oft von magischem Stimmungsreiz. Und in seiner form-unsaubern eintönigen Weltschmerz-Lyrik ist er nachahmender Eklektiker. Ueberhaupt ein Epigone. Der gehört noch ganz zu den Alten.«
    Schmoller begann jetzt furchtbar aus Hans Holbach zu schimpfen, den er einen »vertuschelnden Schönfärber«, halb sentimental halb nüchtern, nannte. Demgegenüber betonte Leonhart Dessen gefällig leichtes Erzählertalent, ungezwungene Stilflüssigkeit, goldklare Durchsichtigkeit der Darstellung, gesunde Fülle des Wirklichkeitssinns, Weltkenntniß (»ja, sehr praktische Weltkenntniß« schaltete Schmoller ein), Thatsächlichkeit der Auffassung (»ja, kaufmännisch-kluge!«), reisen künstlerischen Geschmack, lyrische Ader, die in feiner Empfindungsmalerei schwelgt.
    »Bezüglich des reisen Geschmacks,« bemerkte Krastinik, »möchte ich wohl einwenden, daß dieser durch einen organischen Fehler gehemmt wird. Die übersprudelnde Laune seiner realen Weltbetrachtung verlockt ihn, über den Nahmen des Kunstwerks wegzuspringen. Ein neckischer Kobold zupft ihm manchmal am Ohr und der Erzähler überläßt sich seinen Einfällen.«
    »Darauf beruht grade Holbachs Stärke: auf dem Episodisch Anekdotenhaften. Welche Frische! Und nirgend wirkt seine weltmännische Gewandtheit parfümirt. So bildet er eine Ergänzung zu Schmoller, einen Uebergang zu dem knorrigen Elementarismus der eigentlichen Realisten: so spielt er eine bedeutsame Vermittlerrolle.« –
    Als Krastinik gegangen war, fing Schmoller an, diesen kräftig durchzuhecheln. »Diese Dramen-Versuche!«
    »Doch nicht ohne Glück. Sein sprühend lebhaftes Naturell befähigt ihn, lebendige wirkungsvolle Scenen aneinanderzureihen. Allerdings versagt bei ihm grade das, was den wahren Dramatiker macht: Straffe Spannung des Conflikts und zielgerechter Aufbau. ›Handlung‹ macht noch kein Drama. Darüber täuscht er uns nicht weg mit seinen theatralischen Kinkerlitzchen und dem schillernden Kolorit seiner Jamben.«
    »Und wie vergriff er sich in seinen Stoffen! Nirgends ein schüchterner Griff ins Realistische! Oeder Jamben-Epigone. Von eigentlicher Gestaltungskraft und Vertiefung keine Spur. Die psychologische Entwickelung wird stets als etwas schon Vollzogenes gegeben. Fadenscheinige Dürftigkeit der Fabulirung. Alle Vorgänge sprunghaft und unvermittelt. Und dann die vielen Musterweiber und biedern Menschen! Von denen steckt die Welt ja voll – man merkt's nur nicht! Man kann auch diesen ›Realisten‹ unbedenklich jeder Salondame empfehlen, um so mehr der ritterliche Sänger dem deutschen Weibe so feinfühlige Complimente sagt. Na, er muß es wissen.«
    »Gewiß,« gab Leonhart sein abschließendes Urtheil ab. »Seine ideenlose Sinnlichkeit schweift nur ins Theatralische und Bildmäßige aus. Aber er entbehrt nicht einer wirklichen Anschaulichkeit, einer gewissen rauhen Leidenschaftlichkeit. Seine lyrische Formbegabung verleiht auch seiner Prosa einen zarten Schmelz, wo er überall lyrische Momente verschwenderisch ausstreut und einstreut –«
    »Ja, um mit solchen Ueberflüssigkeiten die allzu langsam rollenden Räder zu schmieren und die Lücken zu stopfen. Dieses lose Bündel mühsam zusammengeschweißter Genrebilder! Und wird mal ein Ansatz zu aufbauender Komposition sichtbar, so erlahmt er immer wieder.«
    »Mag sein. Doch neben pikanter Junkerlichkeit begegnen wir hier stets einer unverwüstlichen Natürlichkeit des Ausdrucks. Auch strotzt er voll scharfer Beobachtung und weltmännischer Erfahrung. Und er schreibt meisterlich.«
    »Ja, darauf legt unsre kümmerliche Zeit ja das Hauptgewicht,« brummte Schmoller. »Ach, das alles sind nur lodderige liebenswürdige Episoden-Dichter. Sie plaudern mit anmuthig ungezwungenem Weltton – das ist alles.«
    »Ja, aber er kann sehr viel.«
    »Möglich, aber er will Null. Das sind Alles nur Kunsthandwerker! Ich sage Dir, Du sollst nicht ewig Leute

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