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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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schlimmer ist als gar keine. Glauben Sie etwa, daß die Burschen, welche die »Oeffentliche Meinung«
(lucus a non lucendo)
vertreten, es auch nur der Mühe werth finden, die Autoren zu lesen , über die sie ein Verdikt abgeben? Hören Sie einen solchen Nullmenschen über mich faseln, so fordern Sie ihm sein Ehrenwort ab, ob er wirklich auch nur eins meiner Hauptwerke gelesen habe! Doch, pah! Das nützt nichts: Wo keine Ehre ist, wirkt auch kein Ehrenwort. – Lassen Sie's gut sein! Eines Tages muß die Wahrheit durchdringen; so groß ist ihre innere Unwiderstehlichkeit.
    Noch eins. Sie werden wahrscheinlich gehört haben, ich hätte die Schwäche, Collegen zu »entdecken«, großzupreisen und dann ebenso schnell fallen zu lassen. Lassen Sie sich nichts vorreden! Tauschender Schein, leerer Schwindel – nichts weiter! Ganz grundsatzgetreu bleiben bekanntlich nur die Bösewichter und seine Ansicht corrigiren ist kein Fehler. Aber nicht einmal das kann man mir bei genauer Prüfung vorwerfen. Ich habe stets dasselbe über Andere gedacht und geschrieben von anfang bis heute. Zwar muß man abrechnen, daß ich einerseits gutmüthig und besonders dem Mitleid für »Verkannte« zugänglich, andrerseits nervös und verbittert bin – daß also der schändliche Undank, den ich stets von »Collegen« zu genießen das Glück hatte, mich irritirt. Das würde aber jeden Andern vielleicht noch mehr empören und ganz bestimmt dessen Urtheil beeinflussen, während bei mir die Objectivität stets die gleiche bleibt. Man wird Ihnen sagen – die nicht gelobten Collegen nämlich, die mein Lob über Andere ärgert –, daß ich später scharfe Dinge geäußert hätte über Leute, die ich früher zuerst begrüßte. Spezielle Widersprüche wird man zwar vergebens suchen, da mein Urtheil über das Einzelne stets feststand, einmal für immer.
    Aber der Uebergang von wärmster Empfehlung der Begabung bis zu kühler Betonung der Grenzen dieser Begabung war immer der gleiche. Kaum hatte ich durch rücksichtsloses selbstaufopferndes Eintreten für hülflose Anfänger oder Verkannte denselben Bahn gebrochen, als auch die kritiklose Welt diese an meinen Rockschößen baumelnden Anhängsel für Gleichberechtigte neben mir selber hielt und mich mit diesen, von mir über Nacht geschaffenen neuen »Namen« in einen Topf warf. Ich müßte kein Mensch sein, wenn mich das nicht peinlich berühren sollte! Allein, das Peinliche liegt hier keineswegs in einem egoistischen Grunde: Wären diese Neuen, diese »Dichter von Leonhart's Gnaden«, wirklich auch nur entfernt gleichberechtigt, so würde ich der Erste sein, der dies anerkennte, so wie ich vor einem Größeren als ich mich neidlos beugen würde. Daran zu zweifeln, scheint für jeden Psychologen wohl ausgeschlossen. Die Logik spricht dafür; denn wer sich selbstlos bemüht, Andere, die ihm in keiner Weise nützen können, zu fördern und auf seine Stufe zu heben, der würde auch das Höhere mit gleicher Neidlosigkeit und Wärme anerkennen.
    Aber das oben berührte Peinliche würde allein mein Wohlwollen noch nicht erschüttern. Da kommt aber ein andrer Umstand hinzu, welcher freilich in der Niedrigkeit der Menschennatur begründet. Die von mir Aufgepäppelten nämlich fühlen mit Unwillen die Last der Dankbarkeit. Sie fühlen ferner, daß das Vermengen ihres »Entdeckern« mit ihnen selbst, wie es der thörichten Welt beliebt, von diesem selbst nicht gebilligt wird. Den nothwendigen Abstand von ihm, in dem er sie, mehr unbewußt als absichtlich, seinerseits zu halten weiß, empfinden sie wiederum als eine Kränkung. Seiner Superiorität, welche sie früher, als sie sich schmeichelnd an ihn wandten, schon dem äußeren litterarischen Verhältniß nach als selbstverständlich anerkennen mußten, hat er sich durch seine Uneigennützigkeit ja nun selbst entäußert. Und die Welt, die es natürlich buchstäblich nimmt, wenn der Warmblütige irgend einen beliebigen Verkannten mit dem schirmenden Schilde »Mein Freund , der hochbegabte X.« deckt, nennt ja selbst »Leonhart, X., Y., Z. und all die Andern« ruhig in einem Athem – die Welt muß es ja am besten beurtheilen können!
    Von jetztab beschuldigen sie ihn in den Krämpfen ihres heimlichen Neides, den sie nicht Wort haben möchten, des Größenwahns , weil er nicht dulden will (so sehr er sonst auch für sie ins Zeug geht), daß sie ihn (dem sie litterarisch alles verdanken, ja der oft gleichsam ihr litterarischer Erzeuger gewesen ist) mit frecher

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