Größenwahn
spielen, welches von einem »Dramatischen Verein« aufgeführt wurde. Dieser unglaubliche Scherz des hinkenden Dichters fand seine Erklärung in dem Umstand, daß gleich darauf Pakosch's dämonische Weltschmerztragödie »Der Mulatte« in Berlin aufgeführt wurde und er durch diesen Coup die scharfe Kritikerfeder Leonharts lahm legen wollte.
»Ach, mein theurer Herr Leonor!« grüßte huldvoll der große Mann. »Und was macht Ihr Drama ›Der Wärwolf‹, von dem Sie mir einst erzählten? Wird es denn endlich mal aufgeführt?« Diese boshafte Theilnahme erbitterte den Andern dermaßen, daß er anzüglich erwiderte:
»Ach nein! Da sind überall solche Streber, die ihre Stücke von Hamburg bis Frankfurt und München zum Schrecken des Publikums anbringen, weil sie mit den Theaterregisseuren unter einer Decke spielen und den sogenannten ›Künstlerinnen‹ Gedichte und Bouquets widmen. Man weiß ja, wie so 'was gemacht wird. Ja, und weil Sie sich nach meinem Drama so gütig erkundigen –: was macht Ihre Frau Gemahlin? Das muß ja doch immer unsere erste Frage an Sie, verehrter College, sein.«
Pakosch erröthete leicht, weil er die Beleidigung wohl empfand. Seine Frau, eine morphiumsüchtige Lady Macbeth, welche er nebst einer Villa von dem früheren geschiedenen Gatten (ein kleiner gemeiner Ehebruch lag vor) zum Geschenk genommen hatte, besorgte nämlich all seine litterarischen Geschäfte. War er bloß dünkelhaft bis zum Exceß, so raste sie einfach vor Größenwahn, so daß sie zeitweilig in einer
Maison de santé
sich beruhigen mußte. Sogar der milde Holbach (der freilich für die kleinsten Gebrechen seiner Nebenmenschen ein scharfes Auge und hinterm Rücken eine gar böse Zunge hatte, falls einer mal nicht seinen egoistischen Zwecken dienen wollte) entrüstete sich, als ihm Frau Pakosch einst einen herablassenden Brief schrieb: »Solche Oberflächlichkeiten wie Sie, lieber Freund, über das letzte Buch meines großen Gatten, darf man an meinen Mann überhaupt nicht schreiben!«..
Tiefgekränkt und rachedürstend schob Pakosch eine Rose aus seinem Knopfloch und reichte sie Leonhart: »Danke für die Nachfrage! Da, mein lieber Leonor, riechen Sie! Da können Sie ja später sagen, daß Sie mit Kasimir Pakosch an einer Rose gerochen haben!!«
»O ich Seeliger! Nennen Sie mich nicht immer Leon or , mein Guter! Ich heiße Leon hart – ›Leon,‹ der Löwe und › hart ‹ – leicht zu behalten.« Leonhart empfahl sich, indem er eine Einladung zur Eröffnung eines neuen stilvollen Bierrestaurants vorwies. »Was wolltest Du mit dem Dolche, sprich?« rief Schmoller. »Da bin ich ja auch eingeladen, wie sich's gebührt. Ich wollt' es diesem Bierjungen auch gerathen haben! Ein Lokal eröffnen ohne mich, den Spezialkenner Berlins, hoho! Nie ohne dieses! Ich sage Dir, vor mir zittern Verleger und Bierverleger.« – –
In dem fürchterlich altdeutsch eingerichteten Restaurant trug sogar die Buffetdame ein altdeutsches Mieder mit Puffen und alles roch nach süffiger Lebenslust, als ob die Herbarien blauer Blümelein von all den Fahrenden Sängern hier auf dem Altar des Vaterlandes niedergelegt seien. Die beiden Dioskuren trafen einige jüdische Theaterfabrikanten, deren schwammiges Gesicht an ihre Rückseite der Medaille erinnerte. Man aß und trank sich satt und schimpfte dabei als Kenner über den Größenwahn der modernen Bierpaläste. Dann hob Aaronsohn an, über die schändlichen Wahlwühlereien der Conservativen zu jammern. »Jotte doch!« fuhr ihm aber Leonhart in die Parade. »Gewühlt wird auf beiden Seiten! Wir sind doch keine Kinder!« – Bald darauf schwang sich der große Witzbold Lerchenheim zu der Behauptung empor, Wien sei die sittlichste Stadt im Vergleich zu Berlin. Es errege im »Sperl« ordentlich Aufsehen, wenn Einer dort Champagner bestelle und der wachthabende Commissär beauftrage die Weiber dann, ja aufzupassen: Das müsse ein Verbrecher sein. – Die eigentliche Presse hatte sich in einer Hinterstube versammelt. Zur Feier des Wahlsieges ließ man die ganze fortschrittliche Presse bei der Einladung aus und nur die Crême der Conservativen zu. Schmoller und Leonhart hieß man als Urgermanen beim Prüfen des »Stoffes« willkommen.
»Meine Herren,« hub der Ehrenpräses an, »ich commandire einen Salamander. Wie uns dies Getränk bayrischen Ursprungs so recht von Herzen schmeckt, sollten wir gedenken an die Gemeinschaft unserer süd- und norddeutschen Stämme. Und wem verdanken wir alles
Weitere Kostenlose Bücher