Größenwahn
unterzuschieben.
Zuvörderst stellen all diese Gesinnungsgenossen die Theorie vom »ewigen Krieg« auf, die sich angeblich auf Darwins »Kampf ums Dasein« stützen soll. Nun ist es keine Frage, daß in den Urzeiten der sogenannte »Kampf ums Dasein« mit dem Kriegszustand identisch war. Gleichwohl wurde derselbe bereits in jenen barbarischen Epochen als ein schweres Uebel angesehen und die Söhne Kains spielen neben den friedlichen Nachkommen Seths durchaus keine gefeierte Rolle. Die gesammte Kulturentwicklung läuft aber einfach darauf hinaus, den Kampf ums Dasein zu mildern und vor allem aus dem Bereich der rohen Gewalt zu rücken. Die Geschichte der Civilisation ist einfach die Geschichte der zunehmenden Waffenabschaffung. Sogar im Kriege selbst ist die roheste Form des Kampfes, das Handgemenge, wo persönliche Stärke entscheidet, fast auf den Aussterbeetat gesetzt. Wie wenig man übrigens selbst in der Urzeit das Waffenhandwerk als etwas allgemein Gültiges betrachtete, geht hervor aus dem Bestehen der abgeschlossenen Kriegerkasten. Ein Ueberbleibsel derselben scheint es, wenn bis ins vorige Jahrhundert der Mann aus den besseren Ständen den Degen an der Seite trug. Seit hundert Jahren ist auch dieser schwache symbolische Ueberrest verschwunden.
Wenn nun die Milderung des »Kampfes ums Dasein« Hauptziel aller Kulturbestrebungen ist und wenn eine solche Milderung in fortschreitender Progression in der That ersichtlich wird, so scheint die Möglichkeit eines »ewigen Friedens« nicht absolut ausgeschlossen, da die roheste Form des Daseinkampfes, der Krieg , auch am leichtesten zu beseitigen ist. Ob aber »ewiger Krieg« oder »ewiger Frieden« der Menschheit bevorsteht, ist ja nicht zu beweisen, da nur die Erfahrung, es lehren kann. Fürs erste sind beides hohles Phrasen. Die Wahrscheinlichkeit spricht aber gewiß eher für den »ewigen Frieden«. Um dessen Unmöglichkeit zu folgern, berufen sich die so hochidealen Kriegsfanatiker auf die Schlechtigkeit der Menschennatur. Sie vergessen dabei, daß nicht nur die edeln, sondern ebenso die niederen Regungen gegen den Krieg stimmen, da dem allmächtigen Egoismus und Eudämonismus die Kriegsmühsal gewiß nicht als ein Wünschenswerthes erscheint. Der Krieg ist nicht identisch mit dem »Kampf ums Dasein« und der Krieg ist keine Nothwendigkeit der sittlichen Weltordnung, der »ewige Krieg« ein Fabelpopanz und der Krieg in jedem Fall ein Uebel. Letzteres geben die Militäridealisten mit verschämter Salbung natürlich allerorten zu. Denn der Avancier-Wunsch des Leutnants scheint doch wirklich kein ausschlaggebendes Moment für Bejahung der Kriegsnützlichkeit!
Aber die Kriegsenthusiasten schwingen sich nun sofort wieder auf den Kothurn des Ideals, indem sie eine Art persischer Religion proklamiren, den ewigen Kampf von Ormuz und Ahriman, – um den Kampf an sich als aller Dinge Herrlichstes zu preisen. Wir befinden uns in der angenehmen Lage, dasselbe philosophische Lebensprinzip zu hegen und auch öfters schriftlich ausgeführt zu haben. Nun möchten wir aber fragen, all die angeklebten Tiraden über Stählung des Kampfmuthes, Verweichlichung u.s.w. lächelnd übergehend: was das wohl mit dem Krieg zu thun habe? »Denn ich bin ein Mensch gewesen und das heißt ein Kämpfer sein« – so war's gemeint, als Zoroaster seine herrliche Kampflehre schuf. An den Krieg hat er sicher nicht gedacht, denn das hieße Kampf von Ahriman gegen Ahriman, das hieße den Teufel vertreiben durch Beelzebub. Der wahre ernste Kampf, der schwerste und muthvollste Kampf, von dem allein die Entwicklung der Menschheit abhängt, ist der Kampf mit den Dämonen der Welt und der eigenen Brust. Dagegen ist der Kampf der Waffen ein erbärmlicher Tand, eine komödiantische Aufregung, des wahren sittlichen Ernstes bar.
Es ist eigentlich albern, solche Selbstverständlichkeiten noch zu erwähnen. Der Kampf ums Dasein selbst im bürgerlichen Leben erfordert hundertmal mehr Energie und sittlichen Mut, als der frivole oder rein physische Schlachtenmuth. Auch die Bestie ist tapfer in diesem Sinn; aber wenn sie mal nichts zu fressen hat, dann winselt sie. Man müßte es nicht nur als sittliche, sondern erst recht als intellektuelle Unreife beklagen, wenn die Abneigung gegen Krieg und Soldatenspielen, gegen welche Verfasser polemisirt, nicht bei einem modernen Bürger vorhanden wäre. Möge sich der rothe Kragen an der Verehrung der Knaben und Weiber genügen lassen.
Wenn nun alle idealen Redensarten
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