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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Schon aus Neugierde, wegen des vorlockenden Titels. Sämmtliche litterarische und persönliche Feinde des Dichters (sie belegten schon allein die Hälfte der Plätze) erschienen vollzählig und marschirten gleichsam in Gala auf. Man bemerkte den Doktor Drechsel-Caballo, der heute seinen Spitznamen »Richard Löwenmähne« (nicht: Löwen herz ) durch wüthendes Schütteln seiner olympischen Locken bethätigte, und die Nachstotterer der »Tagesstimme«, wie sie eifrig Contra-Stimmung machten.
    Leonhart trat auf. Er war sehr bleich und der Frack stand ihm schlecht. Er begann mit etwas belegter Stimme, die sich aber allmählich zu sonorem Dröhnen steigerte.
     

Größenwahn des Militarismus und der Schulmeisterei.
     
    Nicht gegen den Offizierstand wende ich mich, sondern nur gegen die Ueberhebung desselben und vor allem gegen eine Anschauung, welche den Krieg als naturnothwendiges Ideal der sittlichen Weltordnung und den Kriegerstand daher gleichsam als eine geweihte Priesterschaft der Weltgeschichtsentwicklung feiert. Wenn z.B. Herr v.d. Goltz-Pascha in seiner bekannten Schrift den Offizier nur mit dem »Dichter und Künstler« vergleichen will, so übersteigt diese Selbstvergötterung eben das zulässige Maß.
    In letzter Zeit sind nun Brochüren erschienen, welche den » Kriegsgedanken und die Volkserziehung « behandeln. Wir verhehlen nicht, daß wir sie mit einer gewissen, steigenden Entrüstung gelesen haben. Der Größenwahn des Militarismus entpuppt sich hier wieder einmal mit erschreckender Offenheit.
    Es ist ja an sich ganz löblich, wenn man seinen speziellen Beruf am höchsten stellt. Ludwig Feuerbach sagt in seiner »Philosophie des Christenthums« sogar irgendwo, daß diese Einseitigkeit ein nothwendiges Erforderniß des menschlichen Denkvermögens sei. Am höchsten stehen daher diejenigen Geistesrichtungen, welche die umfassendsten und wenigst einseitigen ihrem Wesen nach sein müssen: Poesie und Philosophie. Wenn sich denselben technische Künste, Musik, Malerei u.s.w. ebenbürtig zur Seite stellen möchten, so bleibt dieser harmlose Größenwahn ohne schädliche Folgen und gleichsam in der Familie, obgleich er die in Deutschland grassirende Ehrfurchtslosigkeit vor der Dichtung natürlich verstärken hilft. Aehnlich steht es mit der Ueberhebung der exakten Naturwissenschaften. Jedoch dies sind alles nur theoretische Fragen, die wenig ins praktische Leben einschneiden. Anders aber liegt der Fall, wenn ein bestimmter Stand mit dünkelhaftem Kastengeist sich über alle andern erheben will, wie dies ein altes Vorrecht des Kriegerstandes ist. So lange die Welt im Alterthum und Mittelalter wesentlich auf dem Kriegszustande fußte, mochte dies angehen. Heut aber in der neuesten Zeit darf dies natürlich auf die Dauer nur dann möglich beiben, wenn es gelingt, die Soldateska mit einem Schleier des Idealismus zu umweben und sie auch geistig als führendes Element hinzustellen. Dies ist denn auch der Zweck der vorliegenden Schrift.
    Der Dichterknabe Chatterton hat das berüchtigte Wort gesprochen, daß er den Intellekt eines Mannes gering achte, der nicht zugleich von zwei entgegengesetzten Seiten her ein Thema behandeln könne. So wollen wir denn wahrlich nicht mit den einseitigen Sophismen ins Gericht gehen, mit denen man einer an sich möglichst unidealen Thatsache die idealsten Seiten abzugewinnen sucht.
    Man beginnt dabei mit Ausfällen gegen die Schwärmereien der Friedensliga von einem »ewigen Frieden«. Es ist stets das sicherste Mittel, das denkfaule Philisterthum für sich einzunehmen, wenn man die Gegner als unpraktische Idealisten hinstellt. Nun sind aber alle ideal schöpferischen Geister stets eminent positiv angelegt, wie denn z.B. zu einem großen Dichter der durchdringendste, schärfste Verstand und realistische Weltkenntniß gehören. Vermöge dieser überlegenen Verstandeskräfte sind solche wahren »Idealisten« daher befähigt, die komische Ideologie der Utilitarier, den Fanatismus der Materialisten, zu durchschauen. So sagt Goethe das treffende Wort über den großen Anti-Ideologen Napoleon: »Er, der ganz in der Idee lebte, konnte sie doch im Bewußtsein nicht erfassen; er leugnet alles Ideelle durchaus und spricht ihm jede Wirklichkeit ab, indessen er es eifrig zu verwirklichen trachtet.« Und wenn auch dieser Satz nicht auf unsre Militairpropheten paßt, so werden wir doch daran erinnert, wenn sie umgekehrt die spaßhafte Absicht verrathen, dem Roh-Realistischen das Ideelle

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