Größenwahn
hielt den Nibelungen wohl den Muth empor‹.«
Am anderen Tage erhielt Krastinik in Leonharts Handschrift das folgende Gedicht:
An den Reichskanzler.
Nie mengte ich mich jener Feigen Zahl,
Der Sklavenherde, die der Tag regiert,
Die, als Erfolg mit Lorber Dich geziert,
Dich angestaunt als ihren Götzen Bai!
Nicht Deine Macht gilt mir Unfehlbarkeit.
Nicht Du allein erschufest, was geschehn.
Auch Du warst nur erfaßt vom Sturmeswehn
Der allbeherrschend vorbestimmten Zeit.
Und doch, wie stehst Du hehr und riesenhaft.
Gewaltiger, vor diesem Zwerggeschlecht!
Ein Heiliges glüht unverlöschbar echt
Dir ewig durch den Rauch der Leidenschaft.
Es ist das Letzte, was dem Manne blieb,
Seit Säul' um Säule jeder Tempel fiel:
Der Vaterlandesgröße stolzes Ziel,
Zum eignen Volk der liebevolle Trieb.
Nicht Liebe war ja Deines Lebens Amt.
Dich hob zu Sternen ein erhabner Groll,
Da Dir das Löwenherz im Busen schwoll
Ob aller deutschen Schande insgesammt.
Nicht mitzulieben wie Antigone,
Nein, mitzuhassen , Grimmer, warst Du da.
Doch aus dem Hasse keimte Liebe ja,
Für uns geblutet hat Dein zorniges Weh.
Dein Volk, Dein Vaterland hast Du geliebt.
Des alten Reiches Schemen aufgenährt
Mit warmem Blut, wie's einst Ulyß gewährt
Dem Schattenheer, das durch den Hades stiebt.
Erz nietete den thönernen Koloß.
Noch jüngst – wie Freudenfeuer kreisend rann
Ein flammend Hochgefühl von Mann zu Mann,
Da Deiner Rede Flammenstrom sich schloß.
In Dir nur lebt der wahre Ahnenstolz
Des deutschen Namens, dessen Machtgebot
Einst sonnenhell die weite Welt durchloht!
Geschnitten Du aus Nibelungenholz!
Den deutschen Hundesinn tritt in den Koth!
Lehr Du den Stolz, ein deutscher Mann zu sein!
Wo solche Eichen wachsen, muß gedeih'n
Der deutsche Stolz in aller Wetternoth.
Wo deutsche Zunge spricht, da bleibe stumm
Der Wälsche und der östliche Barbar!
Des Römers Erbe der Germane war –
Civis Romanus sum!
III.
Schon öfters war Leonhart von Schmoller aufgefordert worden, mit ihm socialistische Kreise zu besuchen, damit er mal einen wirklichen Einblick in die soziale Frage gewinne. Schmoller, der bei allem berechnete, wollte erstlich mit Leonhart's Freundschaft dort paradiren und zweitens wagte er sich lieber zu Zweit in die Löwenhöhle.
Die Gestalt Catilinas und seiner Mitverschworenen tauchte unwillkürlich vor Leonharts Geiste auf. Wie sie sich alle zusammenfanden, die Unglücklichen und die Verbrecher, die Bedrückten und die Verkommenen, die Rachgierigen und Genußgierigen, um sich gegen die satte Gemeinheit der Glücklichen zu verbinden!
So entstand ihm in raschem rohem Entwurf realistischer Urkraft das folgende düstere Fragment, indem er dem herostratisch zerstörenden Größenwahn die wahre schicksalmäßige Größe gegenüberstellte und zugleich den Größenwahn der Weiber-Emanzipation in der Gestalt der vornehmen Catilinarierinnen geißelte, die ihr Kapital in die Verschwörung steckten, um es mit Zins und Zinseszins aus dem Staatsbankrott wieder herauszuschlagen.
Soirée bei Crassus. – – Vorn links Lentulus und Cethegus beim Würfeln. Vorn rechts Antonius junior, Crassus junior, Faustus Sulla junior und Metellus plaudernd.
METELLUS. Ich begreife nicht, warum ich diesem Zeitalter die Ehre anthat, darin geboren zu werden. Stände nicht unsere liebe Verschwörung hinter der Thür, so müßte diese Welt an ihrer eigenen Fäulniß verrecken.
CETHEGUS
würfelt.
Diese adligen Packesel! Damit verschwört sich's gut! Ein Hochverrath gegen die gesunde Vernunft!
LENTULUS. Ja, ihr »neuen Leute«! Ein Metell! Will was heißen! Zwar kein Cornelier, wie ich –! Bin bekanntlich ein Nachkomme des großen Scipio.
CETHEGUS. Ja, Du bist ein – Nachkomme. Ich stamme bekanntlich von einem Schuster ab.
Würfeln.
CRASSUS JUNIOR. Ich erlaube Dir endlich zu schweigen, Freund Metellus! Mit Eurer Verschwörung! Bei Euch hapert's am Blinkenden – das ist doch wahrhaft gesetzwidrig! Geld – das ist Alles!
LENTULUS
dreht sich nach dem Sprecher um.
Ganz recht. Geld – das ist alles!
Er verfällt in eine Straßenpredigt.
»Wir aber, wir unglückseliges und unschuldiges Volk, wir hungern – ach, wir haben kein Geld! – Jene, jene glücklichen und schuldigen Menschen, sie prassen: sie haben Geld! Wir aber, wir haben derbe Fäuste und unser Magen knurrt uns wach, Jene faulen auf ihren gepreßten Säcken. Auf denn, Volk, und folgere,
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