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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Anzeichen. Sie hatte da so'ne Broche, mit einer Schlange drauf – die trug sie immer allein von all ihren Schmucksachen.«
    »Ja richtig.« Frau Wursteler warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. »Sie sagte immer: ›Jajaja, das ist ganz 'was anders. Das trag' ich, weil es mich an Jemand erinnert.‹« Rother räusperte sich verlegen; Bammer aber, der sich eine Zeitlang entfernt hatte und jetzt hinzukommend die letzten Worte hörte, fuhr dazwischen:
    »Larifari! Das ist Alles nur Verstellung. He, wie, sie leugnet gar nicht, daß sie sich mit dem Eberhard genossen hat?«
    »Ne,« sagte der Kellner, der damals Rother zuerst aufgeklärt hatte. »Traf vorgestern den Eberhart an der Weidendammer Brücke, wie er zu ihr hinausfuhr. Er hielt ein paar Rosen, die sie ihm geschenkt hatte.«
    Rother fühlte, wie eine dunkle Blutwelle ihm rothsiedend zum Hirne drang. Er biß sich auf die Lippen und schwieg. Die schwarze Emmy beobachtete ihn, die Andern empfahlen sich aus irgend einem Grunde. Wursteler aber ließ im Vorübergehen an Rother halblaut die Worte fallen: »Glauben Sie nur ja nicht Alles, was hier gered't wird.« Damit entfernte er sich hastig. Rother versank in Nachdenken. Langsam glitten alle vergangenen Vorfälle vor ihm vorüber. Die Thatsache ihres Fliehens vor ihm in Treptow, dann wieder die Mittheilungen der Wurstelers – hier lag irgend ein Geheimniß vor. Er grübelte und grübelte – darüber wurde es halbfünf. In zitternder Haft und unbeschreiblicher Gemüthsverwirrung machte er sich auf den Weg.
    »Nun?« fragte er in der Gerichtsstraße an der schon wohlbekannten Thür. Die Wirthin schüttelte den Kopf, er sei immer noch nicht gekommen. Und so stieg er denn schweren Herzens wieder hinab. Er fühlte sich so müde, daß er beim zweiten Treppenabsatz sich athemschöpfend ans Geländer lehnte.
    Da plötzlich knarrte die Treppe von einem emporklimmenden Schritt: Wie von einem elektrischen Schlag durchzuckt, fühlte Eduard: Sie war es! Sie, sein Traumbild in einsamen Nächten!
    Ja, sie war es! Ihre prachtvolle Gestalt knapp von einem schwarzen einfachen Gewand umschlossen. Als sie ihn erblickte, blieb sie einen Augenblick, zusammenschreckend, stehn. Dann stieg sie etwas schwerfällig die Stufen bis zu ihm empor. Er wartete, bis sie neben ihm stand, auffallend bleich, mit einem finsteren harten Ausdruck der schönen Züge.
    »Haben Sie mir nichts zu sagen?«
    Sie gab keine Antwort und schritt an ihm vorbei, schweigend, mit erhobenem Haupte. Ihm war buchstäblich, als ob ihn ein schneidendes Schwert durchschnitte. Mark und Bein erzitterten ihm. Und mit zitternder Stimme fragte er nochmals, halb stammelnd und doch bemüht, einen sicheren Befehlton festzuhalten: »Nochmals, haben Sie mir nichts zu sagen? Es ist mein letztes Wort.«
    Aber ohne zu antworten stieg sie höher und höher, und ohne sich umzusehen, stieg er hinab, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. In seinem Innern gährte und schäumte Unaussprechliches durcheinander. Er traf am Abend einige jüngere Künstler, die ihm docirten, die Liebe sei etwas Unreifes, was unter die Füße getreten werden müsse. Doch mit finsterem Humor vertrat er dagegen die Ansicht, nur durch erotische Leidenschaft werde Außerordentliches zu Tage gefördert. Er selbst docirte dabei ebenso weise als erfahrener Mann, wie die andern Jünglinge mit der misogynischen Weisheitswürde. Aber eine Ahnung von der Lächerlichkeit all dieser reifen Theorieen dämmerte ihm heimlich.
    Und siehe da, am andern Morgen erhielt er einen Brief, dessen Adresse-Handschrift ihn schon erbleichen machte:
     
    »Daß ich Ihnen auf der Treppe keine Antwort gegeben, darf Sie wohl nicht wundern. Doch weil ich nicht herzlos sein kann, sende ich Ihnen diese wenigen Zeilen. Was ich diese Tage gelitten, weiß nur ein guter Gott, vor dem allein ich mich zu verantworten habe. Ich wünsche Ihnen nur, daß Sie solche Stunden nie kennen lernen, denn dann könnten Sie die einzig richtige Bedeutung des Wortes Verzweiflung fühlen. Vergessen werde ich die Beleidigungen nie und Gott gebe, daß Ihnen in diesem Falle nicht Ihre eigenen Worte zur Wahrheit werden (es rächt sich Alles auf Erden) und wenn sich nie in Ihrem Leben Jemand mehr über Sie lustig macht als ich es gethan, dann sind Sie der unbehelligste Mensch, den es überhaupt giebt. Nur bitte, lassen Sie mich aus dem Spiele, es sind dies die letzten Zeilen, die Sie von mir je bekommen, ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe.«
     
    Rother war es, als

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