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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Orte. Es war sengend heiß. In jeder Vorübergehenden glaubte er sie nahen zu sehn. Aber sie kam nicht. Endlich wähnte er, sie habe einen andern Eingang gewählt, und rannte im Parke hin und her. Er fand junge Backfische der Sommerwohnungs-Hautevolée, die sich in einen Leihbibliothekschmöker vertieften und auf den vorübereilenden eleganten Fremden schmachtende Blicke warfen.
    Aber sie, die er suchte, fand er nicht. Es wurde spät und später. Endlich, nachdem er nochmals den halben Park von einem Eingang zum andern durchkreist, gab er es auf und eilte in den nächsten Biergarten. Dort schrieb er einen Zettel, worin er in barschem Tone anfragte, ob sie verhindert gewesen sei, und sandte den Kegeljungen damit in das Lokal. Nach einer Weile kam derselbe mit der Botschaft zurück: Die sei gar nicht mehr da!
    Eduard war zu Muthe, als ob die Erde unter ihm einstürze. Nicht mehr da! So peinlich es ihm war, er mußte sich vergewissern, ging also selbst hinüber. Der Oberkellner, ihn mit zweifelhaften Blicken messend, bekräftigte trocken, daß »Kathi« seit vorigen Dienstag – also seit genau acht Tagen – »ausgerückt« sei und sich ihre Sachen habe nachschicken lassen.
    Ein gewisses Mißtrauen sprach sich in Worten und Blicken aus und Eduard fühlte, daß man sein damaliges meteorgleiches Auftauchen mit Kathis Verschwinden in Verbindung setzte. Seine Blässe und Bestürzung trotz seiner scheinbaren Ruhe schien Jenen jedoch auf andre Gedanken zu bringen, und es wurde ihm durch den herzugeeilten Koch sogar die Wohnung »Fräulein Kreutzners« angegeben: In der Gerichtsstraße. Dorthin hatte ein Dienstmann die Sachen abgeholt und ihre Wohnung verrathen; dorthin war auch ein Brief, der vor acht Tagen angelangt, befördert.

    Eduard biß sich auf die Lippen, als der Mann ihn forschend ansah: Augenscheinlich war sein Brief gemeint.
    Draußen auf der Pferdebahn erkundigte er sich, wie er am nächsten nach der Gerichtsstraße komme. Eine Stadtbahnstation lag in der Nähe und er fuhr denn dorthin.
    Seltsame Gedanken quirlten durch sein Hirn. Was bedeutete das Alles? An demselben Tage, wo er erschien, verließ sie den Ort? Und zog sich ganz privat zurück? Was bedeutet das! Ist das Fliehen vor der Liebe? Instinktiv oder beabsichtigt? – Oder hatte vielleicht ein Andrer hierbei die Hand im Spiele?
    Station Wedding. – Die Gerichtsstraße, bald erreicht, lag in der grauen Einförmigkeit ihrer Miethskasernen schläfrig da und dehnte sich ordentlich in der Mittagsgluth.
    Es war erstickend heiß. In Schweiß gebadet, trat er unter den kalten Hofthorweg eines Hauses mit einer Reihe von Hintergebäuden. Es trug die angegebene Nummer. Einen Portier gab es nicht. Da er annahm, daß sie allein wohne, hoffte er ihren Namen an einer Thür zu finden, als er die engen schmutzigen Treppen hinaufstieg. Doch täuschte er sich. Nur eine Thür, drei Treppen rechts, trug gar keine Namensaufschrift, und obschon er dreimal klingelte, öffnete Niemand Er irrte noch lange im Hofe umher, fragte bei drei verschiedenen Portiers und Vicewirthen, endlich bei dem Hauptwirth, der auf die Frage: ob hier ein Fräulein Kreutzner wohne, eine kalt verneinende Antwort gab. Offenbar hinterließ er mit seinem eleganten Rock einen sonderbaren Eindruck bei den schmutzigen Kinderscharen auf Treppen und Höfen, die ihm verwundert nachgafften.
    Die Hitze drückte auf sein Hirn. Asphalt- und Holzpflaster in der Friedrichstadt schienen zu schwitzen, selbst die Steine erweicht zu stöhnen. Was machen! Ah, da blieb nur eins: er fuhr direkt in das Wiener Café. Als er dort erschien und seinen Schoppen Pilsener bestellt hatte, fragte er den dortigen Kellner kurz, ohne weiteres Herumgerede: »Seit wann ist denn die Kathi nicht mehr hier?«
    »O schon seit vorigen Dienstag nicht« grölte dieser. »Seit sie der Kerl da herausgenommen hat.«
    »Wer?« Eduard fühlte sein Blut erstarren.
    »Ach, davon wissen Sie nichts? Nun, der Eberhart.«
    »Wer ist denn das? Was weiß denn ich davon?«
    »Nun, der hier immer um Kathi herum war. Ach, Sie kennen ihn ja! So Einer mit Bart-Cotelettes, verstehn sie. Der war ja immer auch da, wenn Sie da waren.«
    »Jaja, ich erinnere mich,« murmelte Eduard dumpf. »Also der!«
    »Er war auch draußen in Treptow und hat sie da besucht. Na, nun hat sie ja, was sie wollte.«
    Plötzlich erschien der Wirth des Cafés, Herr Bammer, elegant geschniegelt, wie gewöhnlich. Derselbe schimpfte mit aller Kraft auf die pflichtvergessene »raffinirte

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