Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Person«, die ihn höchst unangenehm hineingelegt. Der ganze Hergang war folgender gewesen.
    An jenem Dienstag vor acht Tagen war Kathi plötzlich erschienen und hatte erklärt, daß sie nie mehr nach Treptow hinausgehe. Der Alte dort sei immer hinter ihr her, und wenn sie der zu Frieden lasse, komme der Junge. – Er, Bammer, habe das für faule Fische erklärt. Nachdem sich dann daraus ein Zank entwickelt, sei sie still geworden und habe sich für krank ausgegeben. Sie müsse zu ihrem Arzte gehn. Dann sei sie um fünf Uhr weggegangen und seitdem nicht wieder gekommen. Eine nähere Nachforschung ergab jedoch, daß sie einen Dienstmann an Herrn Eberhart gesandt. Dieser Mann war ein reicher Holzhändler, ließ sich aber consequent »Herr Hauptmann« anreden, weil er zufällig in diesem Range der Reserve angehörte. Ein boshafter Zufall hatte gewollt, daß der Buchhalter Bammers in der Reichensberger Straße wohnte, und dieser hatte Kathi in aller Frühe dort aus dem Hause Eberharts kommen sehn.
    In wortlosem bleichem Grimm erhob sich Rother, nachdem er erfolglos versucht den Gleichgültigen zu spielen, und wanderte heim. Erdrückend schwül lastete sein Leben auf ihm, öde und leer gähnte ihn ein Vacuum von Langeweile und Ekel an. Er hatte innerlich seine ganze Leidenschaft und sein ganzes Gefühl auf eine Karte gesetzt, und diese mit einem einzigen Va-Banque verloren. Wozu dies Leben! Die Befriedigung der Eitelkeit, die man etwa »Ruhm« nennen könnte, dieser erbärmliche Erfolg, den der Künstler erstrebt, widerte ihn an. Die Natur, je mehr er sich in sie versenkte, blieb ihm immer mehr eine steinerne Maske. So klammerte er sich denn mit letzter Kraft an dies erotische Gefühl. Hier lag die geheime Truhe seines Innern, wo er all seine Schätze aufgespeichert. Und nun hatte ein Dieb ihm Alles über Nacht geraubt.
    Nein, nicht ein Dieb. Was war der einzelne Mensch, der einzelne Fall! Was galt das ihm! Prüfte er seine Gefühle und sondirte seine Motive, so mußte er sich gestehen, daß er weder jenen großen Unbekannten haßte noch das Weib selber, sondern daß ihm wiederum wie von je das erstickende Bewußtsein mit neidischer Wuth die Brust beklemmte, wie ohnmächtig der arme Künstler mit seinem Anspruch auf Genuß der Welt gegenüberstehe.
    Der nichtigste Geselle, der Lieutenant mit der glatten Taille und der Assessor mit dem Wirbelscheitel – von dem parfümduftenden Ladenschwengel und dem goldklimpernden Banquier ganz zu schweigen – spielt in der Welt eine bessere Figur, als der Künstler, der Federheld, der Musikus. Und gar erst beim Weibe! Beim Weibe? Ja gewiß giebt es weiblicher Wesen genug, die für das Romantische schwärmen, die sich von der Verehrung eines Musensohnes geblendet und geschmeichelt fühlen – aber das Praktische siegt im letzten Augenblick ja doch auch hier. Und wäre es auch nicht so, den Künstler zwingt ja nun einmal sein Kultus schöner Sinnlichkeit, das sinnlich Schöne zu begehren – selbst wenn es sich in Gestalt einer Dirne darstellt. Und hier fühlte er sich durch ein räthselhaft Zwingendes dämonisch an dies Mädchen geleitet, das nicht nur seine Sinne, sondern auch sein Herz bis zum letzten Blutstropfen erglühen ließ.
    Jetzt war diese Rose also verwelkt und gebrochen, der Wurm hatte sich in sie hineingebohrt. Alles war aus. Eine tiefe Verzweiflung über die Nichtigkeit all seines Strebens und Lebens verdunkelte ihm die klare Vernunft. Sein Groll mußte sich in schmähenden groben Worten Luft machen. Und so ließ er sich denn dazu fortreißen, in einem Café Feder und Tinte fordernd, folgenden Brief nach der Gerichtsstraße zu richten – denn sie wohnte in der That dort, wie er erfuhr; er hatte nur nicht den Namen der Wirthin, Frau Lämmers, gewußt.
     
    »Liebe Kathi!
    Mit Vergnügen habe ich erfahren, daß Sie eine ganz gemeine Dirne geworden sind. Nun kann ich ja machen, was ich will. Ich ersuche Sie aber, mir unverzüglich meine Briefe zurückzustellen, deren ich mich natürlich schäme; sonst werde ich mich an Ihren Aushälter halten müssen. Wenn Sie übrigens mal zwanzig Mark brauchen – die will ich schon für Sie daran wenden.«
     
    Aber als er nach Hause in sein einsames Atelier zurückgekehrt war, empfand er tief die Würdelosigkeit dieses Benehmens und sandte einge kurze Zeilen, in edelem Ton gehalten. Sie schlossen: »Es rächt sich Alles auf Erden.«
    Er war wie wahnsinnig. Indem seine Phantasie sich geil und lüstern ausmalte, wie das prächtige Weib

Weitere Kostenlose Bücher