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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gingen ihm Dolchstiche durch und durch, da er diese einfachen Zeilen leidenschaftlicher Beredsamkeit durchlas. Ja, dachte er, ob die Heerde Dich verbannte, Einer blieb Dir, wundes Reh. Ich, ich allein erkannte dein besseres Ich und wenn Du zu bereuen hast, so wollen wir selbander die Reue tragen. Aller Schmutz in deiner Seele zerstiebt vor meines Geistes Hauch.. Dies Geheimniß deiner Seele soll kein Anderer verstehn.
    Da erblühte ihm noch eine seltsame Ueberraschung. Sein Dienstmädchen meldete ihm Herrn Schneidemühl. Dieser Herr führte eine ebenso merkwürdige als fragwürdige Existenz. Seines Zeichens Bildhauer, ernährte er sich von Stukkaturarbeiten, die er fabrikmäßig betrieb, nebenbei aber nahm er mit Vorliebe die Börsen seiner guten Freunde in Anspruch. So ahnte denn Rother nichts Gutes, als sein Freund Schneidemühl ihn freudig »wieder zurück in Berlin« bewillkommete. Seine Erwartungen wurden aber übertroffen; denn, nachdem Schneidemühl seinen Schnurbart verlegen gestrichen, eröffnete er, daß Kathi gestern bei ihm gewesen sei und erschrecklich lamentirt habe. Es ergab sich, daß der geniale Bayer (er war ein Landsmann Kathis) wieder mal umsonst den heiligen Pumpus von Perusia, seinen Schutzpatron, um freigebige Huld ersucht hatte. Auch der würdige Caféwirth Bammer, den er täglich frequentirte, litt in dieser Beziehung an Schwerhörigkeit. Aber Eine war nicht taub geblieben: das war Kathi, die ihm schweren Herzens vierzig Mark geborgt hatte. Nun in ihrer Noth – sie wußte nicht wovon leben – forderte sie die Summe zurück und Schneidemühl fand keinen anderen Ausweg, als Rother darum zu ersuchen. Dieser, natürlich tief ergriffen von diesem neuen Beweis für Kathis edle Gesinnung und von Schneidemühls Schilderung, wie sie vor Schluchzen nicht habe reden können, sandte sofort die Summe per Post an ihre Adresse mit einigen Zeilen voll warmer Hingebung, worin er sich nochmals vertheidigte. – Ein unaufschiebbares Geschäft zwang ihn, am selben Abend nach Dresden zu reisen, wo er mit einem Kunsthändler ein Geschäft zu verhandeln hatte. Aber er wandelte dort wie im Traum umher. Als er rein zufällig in ein schlechtes Haus gerieth, war es ihm unmöglich, auch nur einen Augenblick dort zu verweilen; er empfahl sich den fidelen Genossen, die ihn dorthin gelockt, unter einem Vorwand. Ununterbrochen schwebte ihr Antlitz vor seinen Augen, bleich und in Thränen gebadet. Selbst die Venus von Milo hätte er in diesem Zustand nicht berührt, wenn sich die Göttin selbst ihm zu Füßen geworfen. Seine Venus saß in einem einsamen Kämmerlein im Wedding und weinte sich die Augen blind. Seine Reisetasche schnüren, auf die Bahn stürzen und um Mitternacht zurückdampfen, war ihm das Werk eines willenlosen Instinkts. – –
     
    »Diesmal muß ich meinem Entschluß untreu werden, indem ich Ihnen wieder schreibe und wenn ich Sie nicht kennen würde und nicht wüßte, daß Sie wankelmuthiger sind als ein Schilfrohr, würde ich Ihnen sicher nicht mehr geschrieben haben. Vor allem meinen besten Dank für Ihre Freundlichkeit in Betreff des Herrn Schneidemühl. Böse bin ich Ihnen trotz Ihrer mir unvergeßlichen Beleidigung nicht mehr und verzeihen thue ich es Ihnen aus ganzen Herzen, ich müßte nicht menschlich fühlen können, wenn mir Ihre Zeilen gleichsinnig waren, aber Jemandes Freund oder besser Meiner können Sie nicht sein, denn ich weiß genau, wenn heute Jemand zu Ihnen kommen würde und Ihnen sagte, ich hätte Dies oder Jenes gemacht, wären Sie zu neuen Beleidigungen fähig. Wenn ich Jemand gut bin, man könnte mir über die betreffende Person alles Menschenmögliche sagen, mein eigenes Fühlen und Denken steht mir immer höher, ich würde mir nie in dieser Beziehung eine Blöße geben, für das erste schon deshalb nicht, um Anderen nicht zu zeigen, daß man darunter leidet, und zweitens, schlecht gemacht ist bald Jemand, aber gut machen das geht ja sehr schwer, manchmal auch gar nicht. Trösten Sie sich über mein Schicksal es wird wohl wieder anders werden mit Gottes Hilfe. Herr Bammer hat mich zu schwer beleidigt, aber der ist auch kein Mensch. Gefühle giebt es bei ihm nicht und wenn, dann nur thierische. Ich war bei ihm, was Sie schon wissen, und da hat Er mir selbst gesagt, er hat beim Caffee Verluste gehabt, das heißt sie brauchten in Treptow nicht mehr soviel als wie ich dort war und Bammer mußte ihnen nun die Hälfte Bier abnehmen und da sagte Herr Bammer mit diesen Worten ich wollte

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