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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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dem Biedern eine kluge Base,
    Noch zu verschweigen, wie geschickt er theile!
    Er murmelte zwar heldenhaft: »Na, Keile!«
     
    Doch rasch bedeuteten ihm fromme Seelen:
    So schlecht sei diese Zeit, daß die Bethätigung
    Des Freiheitsdrangs – z.B. Raub und Stehlen –
    Noch ganz entbehre staatlicher Bestätigung.
    Man werde es der Polizei erzählen.
    So machte er's denn heimlich ab aus Nöthigung.
    Auch keine Zeugen gegen ihn auftreib' ich,
    Drum seinen Namen klüglich auch nicht schreib' ich.
     
    Ich aber weiß es, daß der Ritter selig
    Des Katzenordens sich begrub zu früh
    In des Plebejers Magen. Ist's nicht schmählich?
    O sei er unverdaulich! Drück' er wie
    Ein Mühlstein den Verschlinger, unausstehlich!
    Daß selbst solch ein Husaren-Schnurrbart nie
    Den Pöbel schreckt! Denn wahrlich, ganz soldatisch
    War der Verstorbne und aristokratisch!
     
    Was mir der Todte war, – ihr Nachtigallen,
    Die oftmals er mit süßem Mau gestört,
    Ihr wißt es ja! Nehmt Alles nur in Allem,
    Er war – ein Kater! Aber horch, was hört
    Mein Ohr vom Ufer melancholisch schallen?
    Quack, Quack! Mein tiefstes Innre sich empört,
    Wie hier das Lehrgedicht der Meistersänger
    Ersäuft das Minnelied der Mäusefänger!
     
    O Ihr geblähten Frösche, Ihr Pedanten!
    O wie erinnert Ihr mich doch – an wen?
    Weiß nicht! An was? Je nun, an Folianten!
    »Hoho! Hört, hört!« So quackt es jetzt. Es drehn
    Auch Spatzen sich auf meinen Fensterkanten.
    Ich sehe hier ein Sinnbild vor mir stehn:
    Denn Kater, Frösche, Spatzen, Störche, kennt
    Man als des Deutschen Reiches Plapperment.
     
    O Eitelkeit,
Vanitas Vanitatum!
    Ich kenne einen Gecken, welcher sich
    Im Sommer Winterüberzieher that um,
    Weil er darin mehr einem Manne glich!
    Der Schweiß ihm stromweis floß aus jeder Naht drum,
    Doch duldete er still und wackerlich.
    Er wurde lieber schwach und elend innen,
    Um außen stärkern Eindruck zu gewinnen.
     
    Ich kenne Gecken, welche blutarm sind
    Und sich deß schämen. Was wird flugs erdichtet?
    Sie schreien's in die Ohren jedem Kind,
    Sie seien so erbärmlich zugerichtet,
    Weil sie gelebt so lustig wie der Wind.
    (D.h. höchst liederlich, wird nun berichtet
    Im Flüsterton.) Das heißt: Ein Wüstling mag
    Er lieber sein, als krank!! O welche Schmach!
     
    Andre Bleichsüchtige und Nervenschwache
    Erklären sich für Dandyhaft blasirt!
    Der Dritte widmet sich dem Weltschmerz-Fache,
    Als ob, weil er sich »angekränkelt« spürt,
    Auch »des Gedankens-Blässe« seine Sache!
    Doch daß er Hartmann stets im Munde führt
    Und nie ein Wörtchen von ihm las, ist schlimm!
    Castraten prahlen mit Kombabus-Whim.
     
    Andre versichern, die besonders bläßlich:
    Wir leiden, hört, an unglücklicher Liebe!
    Man glaubt's, da sie so überraschend häßlich,
    Weiht ihnen des Erbarmens edle Triebe.
    Was fragt die Logik nun ganz unerläßlich?
    Als ob nicht drauf nur eine Antwort bliebe:
    Der feige Mensch hat Furcht vorm wahren Sein,
    Lügt lieber sich hinein in falschen Schein.
     
    So wandelt der Culturmensch durch die Welt
    Auf hohen Hacken, gründlich auswattirt,
    Wenn auf das härtste Pflaster brennend fällt
    Die Mittagsgluth. So tanzt er eng geschnürt
    Der Schwindsucht zu. Der scheint mir fast ein Held,
    Wer einmal sich natürlich ausstaffirt.
    O Bauern, neidisch sehe ich Euch zu,
    Hemdärmelig mit dünnem lockerm Schuh.
     
    Ich kenne Jungfraun, die im Alltagsleben
    Grad bis ans Herz uns gehen oder's Kinn,
    Doch in Gesellschaft über uns erheben
    Um Kopfeslänge sich. Was ist der Sinn?
    Zu tief die Graziengewänder schweben
    Zwar über ihre zarten Füßchen hin,
    Doch wett' ich, daß sechs Zoll die Hacken groß –
    So wächst man freilich über Nacht glorios!
     
    Von allen Gattungen der Reue
    Ist eine mir zumeist verhaßt,
    Sie grade quält mich stets aufs neue
    Und läßt mir keine Ruh und Rast.
    Die Reue ist's um Fades, Nichtiges,
    Um die Vergeudung schöner Zeit,
    Der Gram, anstatt um Ernstes, Wichtiges,
    Um lächerlichste Kleinigkeit.
    Daß meine weiße Weste heute
    Zerknittert ward von ungefähr,
    Das macht mich der Verzweiflung Beute –
    Und wenn es gar ein Schmutzfleck wär'!
    Gestern zerbiß ich die Cigarre
    Und sog unachtsam Nicotin.
    Vorgestern wurde eine Schmarre
    Mir als Verschönerung verliehn.
    Vor Wochen stieß ich mir die Nase
    Am Sims zufällig blau und roth.
    Damals verschluckte ich im Glase
    Gar eine Fliege – welche Noth!
    Zu schwer soupirt' ich neulich Abend
    Und hab' den Schlummer drum versäumt.
    Und wenn auch

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