Größenwahn
lang-langweilig!
Rings im Ehebett schnarcht der Philister.
Schnee und Hagel, tückisches Geknister.
Und den Tod im Herzen, weiter eil ich.
Schaudernd hin am kalten schwarzen Flusse!
Springe! Welt und Gott hat Dich verlassen.
Warum blöde nur das Dasein hassen?
Wirf es ab mit einem raschen Gusse!
Wer im Strom des Genusses zu baden gewillt,
Darf nimmer zaudern und zagen,
Wo die Naphtaquelle der Wollust quillt,
Hineinzutauchen wagen.
Ausbranden muß sich die Leidenschaft,
Bis der letzte Schaum zerronnen.
Vergeudet ist nur die geopferte Kraft,
Wenn nicht durchgekostet die Wonnen.
Den Wermuth schüttelst vom Mund Du Dir,
Den Kelch zur Hefe genossen!
Doch grämelt die halb gesättigte Gier
Ueber Freuden, die halb zerflossen.
Und willst Du Dich spröde entziehen der Lust,
Wird heimliche Brunst Dich verzehren.
Einlullt die Wollust die müde Brust,
Wird Dir Behagen bescheeren.
Und wenn Dir das Laster Gewohnheit wird,
So wolle es nicht mehr bezwingen!
Folg' der Gewohnheit unbeirrt,
Die Tugend kann nie mehr gelingen!
Mit einem feierlichen »Pfui!« unterbrach hier
Dr.
v. Feichseler die Vorlesung der einzelnen Stücke. »O wie widerlich, wie widerlich! Diese Versündigung an sich selbst, dies Wühlen in Unzucht und Größenwahn! Wohin, meine Herrn, wohin flieht die Moral, die Moral!«
Die kahle Glatze des eleganten Männchens strahlte von sittlicher Entrüstung. Alle Haare, die er je verlor, schienen sich in Gedanken emporzusträuben. So vertheidigt man nur die Moral, wenn man die traurigen Folgen kennt, welche das Abirren vom Pfad der Tugend strafen. War er nicht besonders berufen, als getreuer Ekkart zu warnen, er, den der Venusberg in stürmischer Jugend so grausam gerupft?
»Mich chokirt weniger die Immoralität,« docirte Dondershausen, »als die Zuchtlosigkeit dieser jungen Schwärmer. Wie kann man dichten, ohne ein Privatissimum in der Logik und exacten Philosophie gehört zu haben! Kant's ›Kritik der reinen Vernunft‹, meine Herrn, das erhabenste Werk, so der Menschengeist geschaffen, kann diesen jungen Herrn zur Lectüre nicht dringlich genug empfohlen werden. Bezüglich der Sinnlichkeit in der Kunst denke ich bekanntlich anders, als unser verehrter Wirth. Allein, es muß eine geadelte Sinnlichkeit sein. Man lese meine ›Elegieen vom Mügelsee‹ in Hexametern, von welchen, wie ich wohl sagen darf, eine ganz neue Kunstanschauung der Sinnlichkeit herdatirt. Herr Graf haben sie ja gelesen?«
Krastinik verbeugte sich schweigend. Es war ihm widerlich, diese beiden abgelebten Pedanten ihr Gequatsch wiederkäuen zu hören. – Der Eine als moralischer Akademiker, der Andre als »vornehmer« »ritterlicher« Idealist, der seine greisenhafte Brunst mit ledernen philosophischen Phrasen verbrämte.
Man las weiter in der Anthologie.
Heinrich Edelmann.
Pfingsten eines Gottsuchers.
Rastlos wandernd ohne Grauen,
Würde es auch spät und später,
Wirst Du blauen klaren Aether
Durch des Urwalds Dickicht schauen.
Das ist der ruhige Fyord,
Der seinen Gruß entboten
Vom Heimathort zum Meere fort
Als sichrer Port dem ringenden Piloten.
Ist gleich des Glücks Symbole
Das Alpenglühn versunken,
Strahlt noch ein letzter Funken
Auf höchster Alp, des Ruhmes Aureole.
Das ist am Lebenshorizont
Der Abendstern, der später gern
Umwandelt sich zum Morgenstern,
Der durch des Todes Schatten bricht,
Bis sich an neuem Lebenslicht
Die auferstandne Seele sonnt.
Dem Edlen ist das Leben hold:
Der Ruhe Balsam und der Weisheit Gold
Vertraulich spendet jede Nacht.
Die Glorie der Kunst, das Meteor der Träume
Durchzuckt der Seele Sternenräume
In ungeahnter Wunderpracht.
Die auserkornen Geister aber hören
Egerias Geheiß in unhörbaren Chören,
Sich unsichtbare Geister zu beschwören.
Im Walde über Stock und Stein
Irrt König Artus, hinterdrein
Irret die Tafelrunde.
»Merlin, Merlin!« so hallt ihr Schrei'n
Aus weheklagendem Munde.
Merlin, der mystische Seher, hört
Kein einzig Wort, er starrt bethört
Nur in die Augen seiner Trauten,
Die ihm den Weisheitsstolz bethört,
An dem Jahrhunderte bauten.
An der Weißdornhecke sitzt er nun,
Sein Bart ist Moos, seine Füße ruhn,
Von Sommerfäden umschlungen.
Er ist verzaubert und merkt es nicht,
Starrt in der Nixe Angesicht,
Von ihrem Reiz bezwungen.
Die Seele verkauft sich der Liebeslust
Und dem üppigen Außenleben,
Doch der Liebesschmerz in des Denkers Brust
Wird
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