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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Weltschmerz«, heiliges und großes Wort,
    Gemißbraucht nur von der Titanen Affen!
    Wenn Dich entweiht der Mund blasirter Laffen,
    So wendet schweigend sich der Dulder fort.
    Von ihrem Ichschmerz winseln nur die Thoren.
    Denn der hat nie den wahren Schmerz empfunden,
    Wer je darüber hat ein Wort verloren:
    Der Stolz des Coriolan verhüllt die Wunden.
    Der wahre Weltschmerz schweigt. Was soll er sagen?
    Nur wiederholen wiederholte Klagen?
    Nur fühlen soll er mit bewußter Klarheit
    Die eine große fürchterliche Wahrheit:
    Daß Glück ein Traum und Unglück einzig wahr
    Und daß Zufriedenheit nur Täuschung ist,
    Das schmerzenlos allein der Egoist
    Und glücklich kaum der thierische Barbar.
    Und spricht ein Mensch zu mir mit dreistem Munde:
    »Sieh, ich bin glücklich,« dank' ich für die Kunde,
    Doch drehe ihm den Rücken, weil ich sehe,
    Er ist ein Narr, wo nicht ein Schuft, und immer
    Prosaisch-nüchtern von der Stirn zur Zehe.
    Gedankenmangel oder, was noch schlimmer,
    Empfindungsmangel spricht er aus. Das Wehe
    Scheint mir vielleicht im Ausdruck falsch und schief,
    Doch immer liegt darin ein Adelsbrief.
    Nur Der erhebt sich über das Gemeine,
    Wer nicht mehr lächelt mit dem falschen Scheine.
    Und das ist auch der Grund, warum kein Dichter
    Aufsteht als dieser Zeiten strenger Richter:
    Es fehlt die wahre wirkliche Empfindung,
    Der faden Weltgelüste Ueberwindung.
    Und da nun wieder Jeder weiß, daß Claque
    Und Clique heut nur machen in Reclame
    Und daß nur aus der stinkendsten Kloake
    »Erfolg« sich heut erhebt, die holde Dame,
    Wie Venus aus dem Meer, – so sagt man richtig:
    Gott, diese Dinge sind im Grunde nichtig!
     
    Still, todtenstill vor mir der Pfad,
    Doch hinter mir das Lärmen
    Vom Feste einer großen Stadt,
    Wo Lust und Leichtsinn schwärmen.
     
    Ich schritt fürbaß und wußt' es kaum,
    Hatt' Bitteres erfahren:
    Nicht sanft thut's, einen Jugendtraum
    Als falsch und faul gewahren.
     
    Da war's, da war's zum ersten Mal,
    Als sollt' ich zusammenknicken,
    Als wolle geheimer Ahnung Qual
    Mein dumpfes Hirn ersticken.
     
    Ein Knabe war ich Abends noch,
    Doch als ich mein Lager suchte,
    Ein Mann , den zu des Kampfes Joch
    Zu früh das Schicksal verfluchte.
     
    Ach, von den Wunden jener Nacht
    Kann ich nimmer gesunden,
    Wo ich im tiefsten Herzensschacht
    Das Lebenselend gefunden.
     
    Eine Sonnenwende war jener Mond:
    Mein Geist wird nimmer vergessen
    Den Ort, wo jung und ungewohnt
    Ich die Hölle des Weh's durchmessen.
     
    Mein fürderes Leben, was ist es wohl?
    Unter dem Fels des Lebens
    Ein Athemholen schwer und hohl,
    So ewig als vergebens!
     
    Oft schleudr' ich ihn ab, bald rollt er zurück.
    O Sisyphus, wie dich erretten?
    Den Felsen selber schleudre in Stück',
    Zersprenge des Lebens Ketten!
     
    Und ist zu hart der Fels, entzwei
    Muß er ja gehen am Ende:
    An die Mauer der Dummheit und Tyrannei
    Rollen ihn meine Hände!
     
    Der Moskowiter stürzt, wenn halbbeeist
    Die Newa, in den Winterstrom, nachdem
    In heißem Dampf er badete bequem.
    Doch heilsam ist es nicht für jeden Geist,
    Aus heißem und wildgährendem Gefühl
    Zu stürzen in der Praxis Eis und in der Thatkraft Fluthgewühl.
     
    Fort mit weichlichem Bedauern,
    Wie Du Dies und Das vergessen,
    Warum Dies geschehn statt Dessen!
    Was Dir konnte nie gelingen,
    Wird vielleicht die Zukunft bringen:
    Hoffen sollst Du und nicht trauern!
     
    Ich sprach zur Thorheit: »Fliehe mich!«
    Sie dankte schön und nimmer wich.
    Die Weisheit bat ich: »Komm' doch her!«
    Doch sie zu fangen war zu schwer.
    »Und da ich Dich nicht fangen kann,
    So komme, Thorheit, denn! Wohlan!«
    Und sieh, die Treue kam sofort,
    Ließ sich nicht bitten erst, aufs Wort.
    Denn Thorheit steckt in Herz und Sinnen,
    Wie könnte man ihr da entrinnen?
    Die Weisheit steckt nur im Gehirne,
    Und wer kann ewig die Gestirne
    Beäugeln? Denken macht Beschwerde.
    Der Körper will zurück zur Erde.
    Und steht man erst auf ird'schem Boden,
    Da ist's unmöglich auszuroden
    Das Unkraut Laster und Verbrechen,
    Selbst mit dem allerschärfsten Rechen.
    Und ob ich auch an jedem Tag
    Dich um Verzeihung bitten mag,
    O Weisheit, daß ich Deinen Lehren
    Noch immer muß Gehör verwehren –
    Verzweifelnd hab' ich aufgegeben
    Den Vorsatz, daß ich je im Leben
    Würd' vierundzwanzig Stunden finden,
    Ganz rein von Thorheit oder Sünden.
    Denn Eins von Beiden mußt Du wählen,
    Um langsam Dich zu Tod zu quälen.
     
    Der Grund des Elends aber ist:
    Gewohnheit, wie Ihr Alle wißt,
    Ist unsre

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