Größenwahn
Tode, wo nur noch seine Werke sprachen, zeigt an, daß er in Allem der völlige Gegensatz eines Goethe gewesen sein muß. »Er war sanft, gutmüthig, leicht zugänglich« – diese kurze Charakteristik, die wir über ihn besitzen, malt uns z.B. nicht seine äußere Erscheinung. Und doch scheint dies so unendlich wichtig! Es mag trivial oder richtiger – cynisch klingen, aber man darf die pessimistische Behauptung wagen: die zwei im Leben erfolgreichsten großen Dichter, von denen wir wissen, Goethe und Byron, verdanken ihren äußeren Triumph bei der Mitwelt zum größten Theil ihrer persönlichen Schönheit. Man möchte die Jungfrauen sehen, die begeistert zu Schaper's Denkmal in Berlin hinaufschmachten, wenn Goethe bucklich gewesen wäre! Aesop als Dichter des »Childe Harold« wäre wohl nimmer »
the rage
« geworden!
Das Genie soll man aus der Ferne bewundern. Rückt man den hohen Bergen zu nahe auf den Leib, so scheinen sie nur unförmliche Felsklumpen voll Schnee und Eis.
Friedrich der Große war gewiß ein Genie und ein großer Mann in jedem Zoll. Aber er war ein Purpurgeborner. Höher stehen Männer, welche »jeder Zoll ein König« wie Cromwell und Napoleon und doch die blinde Welt erst mit Gewalt zur Erkennung ihres inneren Königthums zwingen müssen. »Der kleine ungeschlachte Bierbrauer!« riefen die englischen Royalisten.
.. Die Frau scheint unfähig, abstrakt zu denken, sondern denkt immer concret. An sich ist das kein Fehler; sie ist eben Realistin. Maria Magdalena verstand den Heiland, weil sie das Persönliche desselben transcendental empfand. Dies kann beim Weibe genau so ideal und immateriell sein, wie die reflektive Begeisterung des Mannes, obschon des Mannes sinnlichere Auffassung der Liebe dies nicht zu begreifen vermag. Die Genialität der Frau steckt eben in der Liebe, als weitester Begriff gefaßt, in der warmen Selbstentäußerung des Herzens, womit sie Wunder thut. Die Frau will drum auch einen persönlichen Gott, den sie als Begriff des Guten und Schönen anbeten kann, woraus wiederum die Macht der katholischen Kirche herzuleiten.
»Ja, ich die dämonische Brunhilde-Natur, bin Ihre Genossin!« rief Aurelie in einer ungesunden Aufwallung verspäteter Begeisterung. »Was soll Ihnen ein Intimissimus wie dieser Schmoller! Ich allein verstehe Sie.«
Leonhart verbeugte sich kalt:
»Einen Intimissimus, meine Gnädige, besitze ich nicht. Nach meinen Erfahrungen danke ich auch herzlich für diese edle Gottesgabe. Ich achte am höchsten meinen intimsten Freund, nämlich mich selbst. Dem traue ich, sonst Niemanden. – Sie staunen? Ja, denken Sie sich den denkbar stolzesten und wenigst eiteln Menschen – dann haben Sie mich!«
»O welch ungerechtes Mißtrauen!«
»Durchaus nicht. Mißtraue Keinem und vertraue Keinem, vor allem laß Dir nicht in die Karte gucken. – Ach, mein gnädiges Fräulein, ich sehe dort einige Streifen Rosapapier aus Ihrem Muff hervorlugen. Sollte ich mich täuschen, wenn ich einige Ihrer Gedichte darin vermuthe? O bitte, verleugnen Sie nicht den Heiland, ehe der Hahn dreimal kräht, und kommen Sie gleich zur Sache! Ich bin ganz Ohr!«
»O wie Sie alles errathen! Ich fürchte nur –«
»I, wie werden Sie fürchten! Sind Sie sonst so furchtsam? Also bitte!«
Nach einigem Geziere deklamirte also Aurelie mit Emphase:
Im heißen Biledulgerid
Einsam und stolz ein Löwe schritt.
Doch fing man ihn, um ihn dem Dey zu schenken.
Der ließ ihm einen Käfig baun,
Drin waren Palmen selbst zu schaun.
Der Löwe sollte sich in Sudan denken.
Doch in des Käfigs Ecke lag
Er mürrisch wohl den ganzen Tag,
Aufsprang er nur, ging roth die Sonne unter.
Das Gitterthor er rüttelte
Und zornig brüllend schüttelte.
»Was fehlt Dir?« rief der Dey, »so sei doch munter!
Was mangelt Dir, mein schönes Thier,
In Deinem goldnen Hause hier?
Willst du vielleicht in Ambraduft Dich baden?
Soll ich die Herzen allzumal
Der Lieblingssclavinnen als Mahl
Dir zubereiten? Komm und sei geladen!«
Antwortend donnerte der Leu,
Die Nacht erzitterte aufs neu:
»Mein Haus ist Gold, doch eng ist seine Schwelle.
Die Palmen mögen prächtig sein,
Doch bilden sie nicht Nubiens Hain.
Dies Marmorbecken, ist's die Wüstenquelle?
Die Herzen Deines Harmes gieb
Nur Deinem Tiger, dem sie lieb.
Ich mag nicht Deine duftigen Gewürze.
Doch willst Du mich beschenken, Dey,
So schieße mir ins Herz Dein Blei:
Mit meinem Tode meine Haft verkürze!«
Eine Fee
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