Größenwahn
Sonnenlicht,
Des Athmens, sich Bewegens, Schlafens, laßt mir noch
Des süßen Nichtsthuns Wonne, den Ernährungstrieb,
Des Fressens Nothdurft und der Zeugung süße Qual,
Laßt kriechen, brüten, paaren, wühlen mich im Staub! –
Ja, selbst des Hades Marterstrafen zög' ich vor
Dem ewigen Schlaf: Der Schmerzen Wollust lernt' ich dann.
Der Probe werth auch dies für Unersättliche.
VII.
Wer kommt? Wer seid Ihr? Ein Tribun – und Du erscheinst
Ein Freigelassner? Evodus, so nennst Du Dich?
Nun denn, was willst Du? (Jung und hübsch ist dieser Knecht,
Vielleicht will er mich trösten in der Einsamkeit.)
Willst zur Gesellschaft dienen und als Zeitvertreib,
Nicht wahr? Wir wollen sehn. Nun, Du gefällst mir wohl.
Ich mag Dich. Doch gewöhn' Dir ab den stieren Blick!
Was starrst Du mich so an? – Komm her, ganz leise Freund!
Schick' den Tribun doch fort, den Kerkermeister hier:
Der alte Griesgram stört uns im Beisammensein.
Wir wollen plaudern. – He, Tribun, was weilst Du noch?
Ungnädig bin ich übrigens. Mein Lager dort
Ist mir nicht weich genug. Hol' Pantherfelle her
Und Wolle, Linnen, Lammvließ, seidne Kissen auch.
Vale. – Mein Schooß ist um so weicher, Evodus.
Komm, laß uns kosten, was uns Venus hier bescheert.
Komm! – Nein, was grinsest Du so schauerlich?
Das ist kein Wollustgrinsen, das ist Henkerhohn.
Was packst Du so mich an? Das ist kein Liebesgriff.
Ich mag Dich nicht. – Tribun! Noch stehst Du auf dem Platz?
Ich hieß Dich gehn. Gleichviel! Jag' diesen Burschen fort,
Er ist betrunken. – Keine Antwort? Hörst Du mich?
Tribun, gehorche der Cäsarin! Furchst die Stirn,
Ein finstres Lächeln huscht um Deinen bärtigen Mund?
Was kündet das? Weh, sprich ein Wörtchen! Bist Du stumm?
Riß aus dem Hals man Dir die Zunge? Ha, wenn nicht,
So will ich's jetzt gebieten, daß Du künftig lernst
Zu reden, wenn ich will. – O Zeus, noch immer stumm?
Weh mir! Tribun, Du süßer treuer Römerheld,
Du Säule unsers Staates, kannst Du weinen sehn
Die gnädige Herrin und noch länger foltern sie?
Ah! – Rette mich! Zu Hülfe, heda! – Ueber mir
Ein Schwert?! – Du trunkner Sclav, wagt Deine Hand zu nahn
Den heiligen gesalbten Locken? Wehe Dir!
Das ist Verrath, Verschwörung! Fürchterlich soll meine Wuth
Euch treffen, falls Du nicht die Klinge senkst sofort.
Wie wagst Du's nur auf eigene Verantwortung?
Was sagst Du da? Welch schrecklich Wort vernahm mein Ohr?
»Auf das Geheiß des Cäsars, hier sein Siegelring!«
'S ist wahr! O Grausen, namenlose Todesangst!
So muß ich sterben – noch so jung? Ich habe kaum
Zur Hälfte den Pokal geleert. Genuß, Genuß!
Entgleitest meinen Händen Du, o Zaubertrank?
Ich schreie – höre mich! – O Leben, bleibe mir
Tod – Nichtsein – Strafe – Ende – kein Genuß mehr – Schmach,
Pein, ewige Pein – Vermodern – – Ah, so schlag' herab
Du Blitz des Rächers! Stürze nur, Damoklesschwert!
Was schwebt die Klinge über mir? Stoß zu!
Verflucht sei Deine Hand! – Nein, gieb mir einen Kuß!
Ich lechze noch nach einer Neige Sinnlichkeit! –
Was, ich verschmäht? Du lachst mir in die Augen, Knecht,
Stöß'st mich zurück? – Wie sollst Du büßen! – Nein, ich irrte mich,
Du bist ein braver Bursch. Wie mild Dein Lächeln ist!
So laß mich noch ein kleines Weilchen leben, Freund,
Im angenehmen Sonnenlicht, ein Stündchen nur! –
Zu lang schon wartest Du? So laß mich winselnd Dir
Den Fuß umschlingen, mit Verzweiflungswuthgeheul
Nach etwas Leben schrein! – Kein weiterer Verzug?
So muß ich denn hinab? Nie darf ich buhlen mehr,
Nie süßer Sünde fröhnen? – – Schuld gebiert den Tod,
Das größte Uebel – Leben ist das höchste Gut.
Tod – gräßlich! – – Ah, das traf! –
Ein Schmerz noch – – und dann – Nichts.
Rechtsanwalt Isidor Knaller hatte mit Andacht den Kelch zur Neige geleert und leckte sich unwillkührlich die schmalzigen Lippen ab. War er doch ein gebüldeter Mann, der mit Vorliebe in Goetheana herumschnüffelte und die Liebesabenteuer jenes alten Herrn am Schnürchen auswendig wußte. Ob Goethe in platonischen oder andern Beziehungen zu Frau von Stein gestanden, darüber verlautbarte er schon manch schneidiges Wörtlein.
»Nein, nein, mein Hochverehrtester, auch das steht schlimm. Sie treiben's aber auch zu arg. Sie machen aus Ihrem Herzen keine Mördergrube und nennen ja alle Dinge beim rechten Namen. Aber ich bitt' Sie, so 'was geht doch nimmer an! War
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