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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gebaut
    Und daß ich oft der Thiere Loos beneidete.
    Des Löwen Stärke und des Affen Leistungskraft,
    Des Elephanten Magen ist wohl neidenswerth.
    Insofern hab' ich allerdings gar oft gestrebt,
    Mich auszudehnen, diese schwächliche Natur
    Hätt' mit des Nashorns dickem Leib ich gern vertauscht.
    Doch sonst schien grad' die Seele mir ein Folterknecht,
    Ein dummer Richter, der mit frostiger Mahnung stets
    Durch das Gewissen uns die Lust vergällen will.
    Wenn wirkliche eine künftige Unsterblichkeit,
    Wo von dem Leib die Seele, wie man's nennt »befreit«,
    Verzicht' ich gern darauf, darf ich nur länger hier
    Im Erdenkothe waten. Ohne Leib – was nützt
    Mir weit'res Dasein noch? Giebt's drüben Straf' und Lohn,
    Für meiner Sünden Rechnung müßt' ich zittern dann.
    Doch Sünde – was ist Sünde? Sünde giebt es nicht an sich.
    Gesetz und Menschenbrauch erschuf nur diesen Wahn,
    Ein Freier höhnt der blöden Menge Formelzwang.
    Und jene Götter, (diese Dichter-Spottgeburt
    Sie sünd'gen wie die Menschen, übermenschlich fast.
     
    Der Göttervater, prachtvoll ist er nach dem Bild
    Der Künstler, die zwar lügen wie die Dichter auch.
    Die Locken, die ambrosischen, die Stirn, das Aug'
    Vor allem seine majestätisch breite Brust,
    Die mächt'gen Knie, der massige gewölbte Arm –
    Ach, ein Phantom, ein unerreichter Weibertraum,
    Ein Mann in jedem Zoll! Wie gerne wär'
    Ich seine Jo-Kuh und schmiegte tastend mich
    Europa gleich an ihn in brünst'ger Stiergestalt!
    Und wahrlich, wenn der Tod nun einmal droht,
    Den würd ich wählen, zu vergehn in seinem Arm,
    Semelegleich im Gipfel des Genusses grad'.
    Ach, all die prächtigen Götter lieb' ich sehnsuchtsvoll,
    Nur Amor nicht, obwohl ich ihm verpflichtet bin.
    Er ist ein Kind und kost und schmeichelt mir zu zart:
    Ich will kein Spielen unter Blumen, keinen Scherz,
    Nein grimmen Ernst und brünst'gen Kampf der Leidenschaft,
    Der strammen Mannheit Ringen nur befriedigt mich.
     
    Den sonnenlockigen Apoll, so schön er ist,
    Lieb' ich am mind'sten: Zu erhaben ist er mir.
    Der Mann, den ich begehre, habe wenig Herz
    Und gar kein Hirn – so paßt er mir zur Liebelei.
    Der listige Merkur, den auch sein Gold empfiehlt,
    Ist mir schon theurer. Ueppig schöner Bacchus gar,
    Wie möcht' ich dankbar pressen Deiner Lenden Rund,
    Weil Du den Wein, der Liebe Bruder, uns verliehn!
    Viel Reize hat der grimmig finst're Pluto auch:
    Er ist so süß gewaltsam, greift so unverzagt
    Mit Fäusten zu und wirbt nicht lange, stürmt sogleich;
    Vielleicht darf ich im Hades seinem Lager nahn,
    Abschmeichelnd als Proserpina ihm manche Gunst.
    Neptun, der sehnige Seemann, er gefällt mir sehr
    Mit seiner Muskeln strotzend rauher Ueberkraft,
    Ich denk' ihn mir ein wenig grob, er schimpft und schlägt,
    Ist sonst gemüthlich, kurz ein Muster-Ehebär.
     
    Doch ganz besonders, Mars, verehr' ich Deinen Reiz,
    Starkschenkliger Anbeter der Kythera Du!
    Wie oft genoß ich dieser Episode Kunst
    Im langweiligen Epos, das Homer geschmiert,
    Wo euch Vulkan in traulichster Zusammenkunft
    Verkettete! Wie lüstern das geschildert ist! – –
    Nun, wenn Du so der Venus huldigst, holder Gott,
    Ist nicht mein Mund gleich schwellend und gleich weich mein Schooß
    Gleich üppig nicht mein Busen wie der ihrige,
    Wenn meiner Wang' gesunde Röthe auch verblüht
    Im Fieberroth und schwülen Blaß der Leidenschaft? –
    Man sagt, das Roma's Stamm erzeugt, weil Du bezwangst
    Im Tiberhain die Rhea Silva, deren Kind
    Nachher die Wölfin säugen mußte. Nahtest Du
    Auch mir doch überraschend ungeladen so!
    Denn hier der Park Lukulls hat manche Rasenbank,
    Weich-warm und dunkle Lauben voll Verschwiegenheit:
    Besuche mich, ich lade Dich als Gast zu mir.
    Und brauchst Du eine Wölfin, dien' ich selbst dafür:
    Der Wölfin Brunst verglich man mit der meinen oft!
     
    Doch leider ist dies Alles Fabel und Phantom –
    Nicht Götter sind noch Dauer nach dem Tode, nein!
    Und dennoch möcht' ich's glauben, täuschend die Vernunft,
    Denn Nichtsein scheint mir doch das Allerschrecklichste.
    O wär' doch Seelenwandrung uns bescheert!
    Macht mich zur Wildsau oder Natter, tückisch geil,
    Zur Tigerkatze, wühlend in dem Eingeweid
    Der Unschuld mit der Kralle, die sie sonst verbirgt
    In Sammet-Pfötchen, dürstend nach der Opfer Blut!
    Nur, nur nicht Nichtsein ! Dies allein ist fürchterlich!
    Macht zum verworfensten Geschöpf, zum niedrigsten,
    Zum wehrlos unterm Tritt gekrümmten Wurme mich!
    Nur laßt mir das Gefühl des Seins im

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