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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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denn das je erhört? Bei Ihrer ›Messalina‹ wird man ja ganz aufgeregt.«
    »Ei, das bedaure ich! Ich selbst verfolgte nur den sittlichsten Zweck, die Nichtigkeit der Sinnengier zu zeigen und ihre Strafe. Außerdem aber, was kümmert sich die Kunst um die Anstandsbücher einer Gouvernante! Ja, dies sind nicht die Geheimnisse der Alten Mamsell, dies sind die Geheimnisse der Messalina. Wem bin ich Rechenschaft schuldig, ich der Schöpfer? Ich thue was mir beliebt und singe, wie mir der Schnabel gewachsen ist.«
    »Aber ich bitt' Sie!« Knaller schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wer soll denn Ihre Werke lesen?«
    »Die Männer.«
    »Ach herje, wir haben doch alle zu viel zu thun, jeder in seinem Amt. Abends ist man müde, da spielt man Skat und trinkt sein Schöppchen Bier. Aber unsre Damen, die holden Schützerinnen der Litteratur –«
    »Pfui Teufel!« Leonhart spie aus. Schreckliche Pause.
    Der Rechtsanwalt saß geknickt da und murmelte: »Herr Doctor, Sie sind mir ein Räthsel. – Ja, aber die Gerichte, verehrter Herr, die Rechtspflege dieses Landes müssen Sie doch anerkennen. Unter dem Gesetz stehen doch auch Sie, Sie – Schöpfer. Nehmen Sie mir's nicht übel, aber die Herrn Dichter haben manchmal sonderbare Begriffe. Sie z.B. –«
    Leonhart unterbrach ihn: »Ja, ich gebe es zu, ich habe mich nie als Bürger und sozusagen als Mensch , sondern immer nur als Dichter gefühlt, dem Dämon meiner inneren Mission alle Säfte meiner Jugend geweiht.«
    »Hm, sehr – sehr interessant,« näselte Knaller. »Aber paßt das wohl noch in unsere nüchtern praktische Zeit? Da sind Sie doch schief gewickelt. Und dann – hehe – wenn Sie so ganz Ihren schönen Idealen leben, so sollten Sie doch eben das unpoetische Weltleben ganz unberücksichtigt lassen. Sehen Sie, unsere Damen – ich weiß das von meinen Cousinen her – hassen Sie ja gerade, weil Sie so – so realistisch, so unpoetisch denken. Sehen Sie, Julius Wolff – das ist ein gottbegnadeter Poet, der das Schöne pflegt. Aber Sie – sehen Sie, die Politik und die sociale Frage gehören doch nicht in das Reich des Schönen, der göttlichen Kunst.«
    Leonhart hielt mit Mühe an sich. Ruhig erwiderte er: »Ja, mein lieber Herr Rechtsanwalt, ich begreife, daß Sie, ein so reichbesaittes poetisches Gemüth, das Ideale vertheidigen. Schönheit lebt nur in dem Reich der Träume, in Wolkenkuckucksheim. Aber wir Armen gehen einer ernsten furchtbaren Zeit entgegen, wo der hohle Schönheitscultus, die ästhetische Formfexerei sich endlich verkriechen müssen. Nur die Feder gilt dann noch, welche von Stahl ist – Gänse-und Schwanenfedern zerbrechen. In Bereitschaft sein ist alles.«
    »Na, ich grüße Ihre Schwertfeder!« Der Rechtbeflissene räusperte sich vielsagend. »Aber Ihre Sache steht faul, so viel kann ich Ihnen nur sagen. Ich widerrathe Ihnen zu appelliren. Es kostet Ihnen nur ein schmähliches Geld und der hohe Gerichtshof« Knaller sprach dies Wort immer mit ehrfürchtiger Salbung, » kann ja nicht anders entscheiden als der Herr Staatsanwalt. Denn Ihre ›Messalina‹ – darüber sind wir uns ja alle wohl klar – ist ein unsittliches Erzeugniß, hehe!« Er kniff schelmisch ein Auge zu und zwinkerte den Dichter an, als handle es sich um ein vertrauliches Privatzugeständniß zwei schlauer Bierbrüder.
    »Herr,« schrie Leonhart wüthend, »ich verbitte mir jedes weitere Urtheil darüber. Was verstehn Ihre verstaubten Codices von der höheren Moral eines Dichters? Ich Ihre Gesetzbegriffe respektiren? Nein und dreimal nein. Sie haben überhaupt keine Competenz, Höheres nach Ihrer Buchstaben-Elle zu messen. Ich kenne das: Das ist so der rechte juristische Größenwahn !«
    Knaller sprang erregt auf. »Ich muß mir ernstlich verbitten, Herr Doctor –! Und Sie reden von Größenwahn – erlauben Sie, das ist günstig! Wie, Sie bestreiten die Competenz der Rechtskunde?«
    »Gewiß thu ich das. Was versteht ihr Buchstabenkrämer vom Geist des Rechts? Alles glaubt ihr mit strenger Amtsmiene beschnüffeln zu dürfen und verstoßt doch in jedem Fall, wo ihr mit Buchstaben-Frevlern zu thun habt, gegen alle Rechtsmoral.«
    »Das wäre! Demonstriren Sie das doch gefälligst an einem Beispiel!«
    Leonhart sann einen Augenblick nach. »Ich hab's!« rief er dann. »Positus gesetzt den Fall, ein junger idealangelegter rechtsunkundiger Mensch –«
    »Unkenntniß der Gesetze entschuldigt nicht,« fiel Knaller eilfertig ein.
    »Aha, da haben wir's ja! – Nun

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