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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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das Armband schickten. Und dann war's auf einmal mit der Liebe zu Ende.«
    »Ja, weil sie mich die ganze Zeit über belogen hat!« brummte er mißmuthig. »Selbst als ihr Kerl sie eines Nachts abholte und ich sie mit ihm absegeln sah, schwor sie Stein und Bein, das sei eine Andere gewesen.«
    »Quatschkopf! Warum läßt Du Dich auch so anlügen?« Die kleine Adele schien immer noch so ausfallend wie früher. »Aber interessirt haben wir uns für Sie doch immer, wir alle Beide. Aber ich hab' ihr immer gesagt: ›Heirathen thut er Dich doch nicht.‹ Neulich waren Sie ja bei uns in der Alexanderstraße mit'n paar Herrn.«
    »Ja wohl und Du hast mich gar nicht gegrüßt.«
    »Ich wußte ja nicht, ob Sie nicht wünschten, nicht gegrüßt zu werden. Leute in meiner untergeordneten Stellung –« Sie verzog schnippisch den Mund.
    »Halt den Rand, Fischerin Du Kleine!«
    »Ja und dann war ich auch wüthend auf Sie, weil Sie sich so lange nicht nach mir umgesehn haben. Das heißt, ich –« sie simulirte reizende Verwirrung. »Man braucht ja keine Gefühle zu haben, aber nur so aus Freundschaft. Wir kennen uns doch nun schon sechs Jahre. Erinnern Sie sich, da auf der Treppe bei Wanda –« Sie kicherte.
    »Du trugst den Dolch im Gewande. – Nun, wie geht's sonst?«
    »Schlecht. Ich weiß die Leute nicht zu nehmen. Von Leuten in meiner untergeordneten Stellung verlangt man Dummheit. Und die Dummen sind immer klüger als die Klugen.«
    »Hört, hört! Sehr wahr!« murmelte er. »Also Wanda ihr Verhälniß –«
    Hier erhob Adele sofort Zoll für ihre Mittheilsamkeit: »Ich möcht' was essen,« worauf sie später kauend allerlei Interessantes zum Besten gab. Die Wanda sei ja verrückt, sich mit so 'nem jungen Menschen wie ihrem Xylographen zusammenzukoppeln, blos weil sie hoffte, Der würde sie doch noch heirathen. »Den nähme ich nicht, in Watte gewickelt und in Gold dazu! Aber das muß man sagen, gut ist er zu Wanda und läßt nicht von ihr!«
    »Dann muß er aber doch ein edler Mensch sein. Das erhöht nur meine Achtung.«
    Leonhart wurde nachdenklich. Ja, das war Liebe! Nur in den unteren Regionen blühte dies Blümlein noch. Wanda mit dem vornehmen Gesicht und dem guten Herzen – hatte er sie nicht wirklich geliebt? Als Adele mal in der Charité lag, waren sie Beide zu ihr hingewandert, um ihr Bücher und Leckereien zu bringen. War das auch nur geträumt?
    Ihn durchrieselte ein trübsinniger Humor. Wie entehrend drollig, diese unfreiwillige Komik! Was hätte die Neugier der Welt wohl darum gegeben, den berüchtigten Geistesheros hier mit zweideutigen Weibern als langjähriger Kamerad über allerlei obscure und unmögliche Verhältnisse plauschen zu hören!
    Die biedre Adele, mit welcher er so manchen Scheffel Salz gegessen, wußte von ihm sonst gar nichts, wie so etwas nur in Berlin möglich ist. Fragte ihn beim Abschied (weiß Gott woher sie diese Andeutung schöpfte), ob er jetzt viel mit den Wahlen zu thun habe. »Nur mit der Stich-Wahl, Kleine!«
    Es schnob ein eisiger Wind. Leonhart humpelte schlaftrunken und mit Hühneraugen behaftet nach Haus. Er wohnte in der Bendlerstraße.
    Es wurde schon hell. Noch brannten einige verspätete Laternen. Ihr Licht sah röthlich aus, offenbar durch den umrahmenden Gegensatz des dünnen weißen Morgennebels, der über allen Bäumen hing.
    Auf dem Teich der sogenannten Rousseauinsel schwammen einige Schilfpflanzen hin und her in der dunklen Tiefe. Der Dichter verselte unwillkürlich, er konnte nichts dafür.
     
    Ihr liebt o, Wasserrosen,
    Zu schmücken die dunkle Flut,
    Ein Garten bleicher Blüthen
    Ueber der Tiefe ruht.
     
    Bis meine dunkle Seele
    Wollustberauscht erbebt,
    Ueber ihr duftend und leuchtend
    Meiner Lieder Fülle schwebt.
     
    Schneeiger Mondstrahl fluthet
    In die schneeigen Kelche hinein –
    Da zuckt vom Himmel hernieder
    Gespenstiger Wetterschein.
     
    Es wirbelt aus tückischer Tiefe
    Unheimlich mit dunkler Gewalt –
    Und alle Blumen versinken
    Und alles ist todt und kalt.
     
    Oben in seiner Kammer (er wohnte natürlich nahe dem Himmel) hatte sich ein Nachtfalter verfangen, der lärmend herumrumorte. Draußen rauschte plötzlich ein Regenguß hernieder und klopfte eintönig auf das Fensterbrett. Wie der eisige Griff des Todes schauerte es den Einsamen an, und ehe ihn der Bruder des Todes mit seinen weichen Armen umfing, quoll ihm die Frage von den bebenden Lippen:
     
    Die Astern draußen verkümmern
    Einsam im Regensturm.
    Im morschen Holzgetäfel
    Pocht der

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