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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Schiller! Eben deswegen! Seht ihr, sogar Schiller hat so viel gelitten. Also dann könnt ihr Kleinen doch erst recht leiden!
    So saugt der Philister aus allem nur das Gift.
    »Jaja, Federigo, Dir fehlt eben die lieblichste Tugend: die Lebensklugheit. Du machst Dir tausend Feinde.« Holbach klopfte ihn herablassend mit seiner breiten Bärentatze auf den Rücken.
    Der Unkluge zuckte die Achseln: »Jeder folgt instinktiv seiner Naturanlage und so bin ich vielleicht schlauer, als ich selbst denke. Ein Andrer würde sich mit meinem Vorgehen ruiniren. Ich hingegen kann es nur so zwingen.«
    »Du wirst Dich noch ändern, Dir die Kanten abschleifen!« meinte Holbach wohlwollend.
    Leonhart lachte auf. »Aendern! Der Mensch ändert sich nie, die in ihm schlummernde Vererbung entwickelt sich logisch fort und die Umstände beeinträchtigen sie nicht. Bedenkt man alle Dummheiten seines Lebens, selbst die tollsten, so erkenne Jeder, daß er unter gleichen Umständen just ebenso handeln würde. Nichts lächerlicher als die Phrase: ›Wie der Mensch sich geändert hat!‹ Eil: Hitzkopf bleibt ein Hitzkopf, ein kalter Weltmensch bleibt ewig derselbe, alles Andere ist äußere verbrämende Maske.«
    »Jajaja,« Holbach zog mißmuthig den Mund schief. »Aber ich rathe Dir doch, endlich die Krallen einzuziehn und das Schimpfen einzustellen.«
    »Da hast Du allerdings Recht. Schimpfen ist nur Verschwendung. Seine wahre Verachtung kann man der Welt nur bezeugen, wenn man sie mit denselben Mitteln schlägt.«
    Hier unterbrach ihn großes Hallo, indem eine ganze Horde verdächtig aussehender Individuen sich in die Bierstube ergoß und die vierblättrige Tafelrunde mit einiger Zudringlichkeit begrüßte. Lauter Vertreter der öffentlichen Meinung, sogenannte Preßbengel, welche soeben die Weltdichtung » Germania , Ballet in 15 Tableaus« mit aus der Taufe gehoben hatten. Der Therpsichore-Dichter, nach glücklich überstandener Première mit dem Schweiße des Edlen und obligatem Lorbeer gekrönt, befand sich in aller Munde und in aller Mitte. Man setzte ihn an die Spitze der Tafel neben Holbach nieder und hieß die beiden berühmtesten Reklamedichter sich gegenseitig die Hände schütteln.
    Da die Stunde schon vorgerückt, warf man des Tages Sorgen völlig ab und widmete sich, jedes litterarische Gespräch als Fach-Simpelei verpönend, nunmehr völlig dem innigsten Klatsch.
    Alle fingen
vice versa
an, sich zu entschuldigen wegen allerlei kleinen Schmutzereien, nach dem Grundsatz:
Qui s'excuse, s'accuse.
Wer, ohne daß man ihn darum fragt, plötzlich sich zu vertheidigen anfängt, wird sicher von einem Gewissensbiß gequält. Der Eine, ein vereidigter Syndikus aller Preßaffairen, erzählte allerlei Prozeßchikanen ohne Pointe. Ein Andrer, ein wichtigthuender Affe, stocherte mit seinen ungewaschenen Fingern in den Affairen anständiger Leute herum und fabelte schwungvoll. Dann lobte man sich gegenseitig unverschämt ins Gesicht.
    Leonhart lächelte verschmitzt. Der Eine von den Herren, ein hochgemuther Vorfechter der Schriftstellerrechte, hatte einem armen Blaustrumpf in aller Stille ihre Sparpfennige durch Eheversprechen abgeschwindelt. Der Andre, ein fetter Lustspielfabrikant, hatte eine Kellnerin geheirathet, um 4000 Mark zurückzubekommen, die sie ihm nach und nach abgeknapst und dann auf Zinsen gelegt hatte. Die Gerissensten fallen immer mit solchen Weibern am leichtesten herein. Ein andrer wohlklingender Autor aus Oesterreich, Namens »Edler von Ferchwan«, hatte die Tochter einer Souffleuse geheirathet, um sich durchzumästen, da er als Mitglied eines sogenannten »Schmieren«-Theaters verhungerte. Die arme junge Frau war aber sehr schwächlich. Es wurde also contraktlich festgesetzt, wie oft er seine Eherechte üben dürfe, wofür er dann Wohnung und Atzung frei erhielt: im Uebrigen führte Schwiegermutter die Kasse. – Es ist doch immer hübsch, wenn man solche Personalia aus der Vergangenheit eines Mannes zu klatschen weiß, der jetzt als erfolgreicher Possendichter im Golde watet. Ja, der hatte kein Pech an den Fingern!
    Leonhart hörte schweigend zu und machte seine physiognomischen Studien. Jedem stand als Lebensdevise aufgebrannt: Die Zunge zum Lecken 'raus nach oben und den Stiefelabsatz drauf nach unten ; so, mein Sohn, wird Dir's wohlgehn und wirst Du lange leben auf Erden. Zur Feder griffen diese Leute, wie ein Schuster zum Pfriemen. Sie kannten keine andern Dichterschmerzen als die ums »tägliche Brot«. Die Kunst vom

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