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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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    Auf der Asphodeloswiese, die besprenkelt und umwuchert von der mystisch blauen Blume, schritt er in dem Traum dahin. Ahnungsdunkle Lorbeerhaine, klassisch zugeschnittene Berge, und in geisterhafter Weiße Marmortempel ringsumher. Fernverhallend rauschten Chöre durch die wunderhellen Lüfte und als Wolke hing im Aether gar der Fries des Parthenon.
    Weiter ging's im Thal der Todten, wo wie steingewordene Psalme Münster hier gen Himmel stiegen und von Bannern schier ein Wald. Und auf einem Teiche zogen Schwäne einen Kahn von Silber. Drin zwei Männer, in den Händen Jeder einen Goldpokal. Den Pokal des heiligen Grales hat Herr Wolfram hier gefunden. Und er schlürft den Quell der Mystik, blutrothen Erlöserwein. Lächelnd spiegelt sich der Andre in dem rosigen Wein der Liebe, tausend bunte Blasen sprudelnd, in Isolde's Zaubertrank.
    Walter auch der Fiedeläre, unters Kinn den Arm gebogen, saß, von Vögelein umzwitschert, auf der moosigen Bank von Stein. Und vor einer schattenhaften Schreckgestalt posaunentönig blies ein Sturmhauch her erzklirrend hier das Nibelungenlied.
    Mausoloeen, Leichensteine moderten, wo durch Cypressen er fürbaß die Schritte lenkte, höllendunkle Kirchhofschlucht. Einsam saß im Seherkleide dort ein Mann an schwarzem Kreuze. Michel Angelo's Sibyllen schauen kaum so grimmig drein.
    Doch nun glitzerte die Landschaft, goldig schier wie eine Mine neugefundnen Eldorados. Sah dort drei an einem Tisch. Tranken all aus einer Kanne Malvasier und trugen modisch zugeschlitzte spanische Wämser. Einer der hieß Calderon. Und Cervantes hieß der Andre mit der abgehauenen Schwerthand. Und des Menschenherzens Meister saß, der Brite, auch dabei.
    Von den leidenschaftlich wilden Düften unerhörter Triebkraft noch betäubt, empfing ihn jetzo Brodem künstlicher Parfüms. Rokoko und Voltaires Witze. Lessing trägt den Zopf im Nacken, würdevoll wie eine Toga schlottrige Magistertracht. »Nein, ich gehe keinen Schritt mehr weiter in das Unnatur-land!« Und aus Schrecken vor der Neuzeit war er jählings auch erwacht.
     
    Die Atmosphäre war schwül, tiefblaue Tinten bestrichen die bleifarbene Wand des Horizonts, es wetterleuchtete. Leonhart schritt ruhelos fürbaß durch den Grunewald, daß die Fichtennadeln, die den Weg bestreuten, unter seiner hastigen Sohle knirschten.
    Chaotisch wirbelten ihm Gefühle und Gedanken. An diesem Abend sollte das Drama im »Deutschen Theater« in Scene gehn, sein Drama, dem Graf Krastinik den Namen geliehn, damit auf diese Weise ein Werk des connexionslosen strebernsunkundigen Dichters an die Öffentlichkeit gelange. Ob es gefallen würde? Und wenn, wie würden nachher das Preßgesindel und die Theatermenschen sich erbosen, sobald der schreckliche Hereinfall aufgedeckt! Man hat sich einen Spaß erlaubt, eine Mystification! Sie konnten gar von grobem Betrug reden, garstige Chicanen erfinden, ja den wahren und angeblichen Autor in
corpore
in Preß-Verschiß erklären und unmöglich machen!
    Leonhart's Finger krampften sich auf und zu. Er fühlte, daß er zum Mörder werden könne, zum Mörder an diesen Elenden, die Gott in seinem Zorn erschuf, um das Höchste und Heiligste, die Poesie, mit ihrer stinkenden persönlichen Geschäftsmacherei zu besudeln. Eine Verschwörung von Schurken und Dummköpfen, nicht werth, auch nur den Staub von den Stiefeln eines Dichters zu lecken.
    Nicht Einer unter all diesen Litteraten-Strolchen, der nicht ausschließlich von seinem winzigen erbärmlichen Ich speiste, der nicht an miekriger Selbstsucht, an einer wahren Selbstbefleckung des selbstverliebte n Größenwahns litt. Alle verzehrt von hirnzerfressendem Neid gegen gefürchtete Superiorität, kriechend nicht vor dem Talent, sondern vor dem Erfolg, nicht vor dem Verdienst eines Alvers, sondern vor dessen Studententriumphen und seinem »von«. Alle gleich, ob nun germanische Jüngstdeutsche mit augenverdrehender Pseudo-Stürmerei oder jüdische Jüngstdeutsche mit thatkräftiger Realitätsausnutzung, ob nun notorische Streber oder verschämte Akademiker mit angeblich reinen Idealzielen. Alle nur die Wurst nach der Speckseite werfend, alle nur bemüht ihr liebes Ich zur Geltung zu bringen, alle tief von der Wichtigkeit ihres mittelmäßigen Nichts durchdrungen, und von Uebelwollen gegen alles Uebrige beseelt.
    Ja, er durfte sich's sagen: Er war der letzte Idealist , der Letzte, der immer nur die Sache sah und nie die

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