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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Person . Selbst seine Feinde mußten es zugeben. Ihm schien nur eins wichtig: das Verdienst, in welcher Gestalt auch immer. Daß er um so schonungsloser den Größenwahn der Windmacher geißelte, lag in der Natur seiner rücksichtslos herben Wahrheitsliebe. –
    Der Verfolgungswahn packte ihn wieder mit doppelter Gewalt und malte die verbündete Schlechtigkeit noch düsterer, als sie in Wahrheit sein mochte. Auch entschwand ihm theilweise die objective Betrachtung, die er in lichten Momenten wie kein Anderer besaß, betreffs der traurigen Nothwendigkeit dieser allgemeinen Selbstsüchtelei, da doch Jeder herbe um sein Fortkommen zu ringen hat. Von Natur sind Wenige schlecht, wenn auch kindische Eitelkeit und nörgelnder Neid nur besonders vornehmen Naturen nicht angeboren scheinen. Allein das Leben häuft soviel Koth an, durch den man hindurchwaten muß, daß die edleren Gefühle allgemach verkümmern.
    Gewiß blieben ja Leonhart's wüste Wahnvorstellungen nicht vom Thatsächlichen fern. Die Schlangen berathen sich, um den Löwen von hinten in die Ferse zu stechen. »Wir möchten so gern und an Lebensklugheit – Falschheit, wie es die Dummköpfe nennen – sind wir ihm ja allesammt überlegen. Aber ach, wenn er sich mal umdreht und mit der Tatze haut, da wächst kein Gras!« So ist es die Feigheit der gemeinen Naturen, die allein den hochherzigen Starken vor ihrer Bosheit schützt.
    Es ist ein großes ethisches Gesetz, daß der schmutzige Kampf ums Dasein uns empört, sobald wir ihn losgelöst von uns selber betrachten, und daß die Perfidie der Andern die Stimme unseres eigenen Gewissens, die wahre Selbsterkenntniß, fördert.
    Wo man auch auf Erden seinen Pilgerstab hinsetzen mag, überall trifft man das menschliche Antlitz und seine Lügen. Lange hatte Leonhart als Correspondent eines großen Rheinischen Blattes in Paris und London gelebt. Mit düsterer Befriedigung dachte er unwillkürlich, wie wenig und oberflächlich man ihn doch kenne, wie viele Leute außerhalb Deutschands mehr von ihm wußten, als irgend einer der »guten Freunde«, die ihn umklatschten. Mit welcher ironischen Schadenfreude erfüllte ihn das prahlende Gethue mancher »Kollegen«, als ob sie mit ihm hundert Scheffel Salz gegessen hätten, während wiederum in ihm näheren Kreisen der Gesellschaft die völligste Unkenntniß seiner litterarischen Verhältnisse herrschte! Vier ganz verschiedene »höhere Töchter« hielten sich allen Ernstes für die unglückliche Liebe seines Lebens und bewahrten daher noch nach ihrer Verheirathung ihm jenes theilnahmvolle Mitleid, das aus geschmeichelter Eitelkeit entstammt.
    So blieb er eben in Allem ein Räthsel und zersplittert in unendlicher Vielseitigkeit, die zu seinem Verderben ausschlug – allerdings in anderem Sinne, als einige Klugschwätzer, die es mit den Feinden Leonharts ebensowenig wie mit ihm verderben wollten, in ihrer unendlichen Schläue und Barmherzigkeit über ihn orakelt hatten.
    Die Subjectivität des Uebermenschen trieb ihn, gerade weil seine Natur in ihren Urquellen selbstlos und wohlwollend, zu Paroxysmen der Misanthropie.
    Du Spreu des Ewigen, die kaum als Dünger der Weltidee noch brauchbar! Flüchtiger Koth, vom Sturm des Schicksals in das Nichts gewirbelt! Du Bestie, die bübische Begierden mit kriechend feiger Heuchelei bemäntelt! Du neid- und haßgeschwollenen Drachenbrut, Du Rattenkönig, Schlangennest der Sünde! Mensch ! Lebend schon die Würmer Dich zernagen, sich von der Fäulniß Deines Leibes nährend, in dem die Seele lange schon verfault! Du Blitz, der dort wie eine Zornesader aus dieser Wolkenstirne Runzel aufzuckt, o schlängle Dich als Ariadnefaden hinab zu mir ins Labyrinth der Schmerzen!
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    Wie der Trieb zur Sünde im Menschenblut, so liegt im grübelnden Menschenhirn geheimnißvoll ein schrecklicher Drang, zu erproben die Selbstvernichtung. Auf die Höhe des Berggrats stelle ein Kind! Schau, wie's gleich näher und näher kriecht dem drohenden Rand und Kiesel zuerst aufliest vom steinigen Boden. Die schleudert es dann in die Höhlung hinab, um am Schall zu ermessen des Abgrunds Grund, horcht ahnungsvoll, wie spät und dumpf es dröhnt aus der endlosen Tiefe. Der Mutter Vorsi c ht gängelndes Band zerreißt es, schleicht zum Rande sich vor, umklammert noch den Fels der Vernunft . Der scheint ein sicherer Halt ihm.
    Doch wie es starrt in das graue Nichts,

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