Größenwahn
die Thür und rief:
»Fräulein, wir müssen aber jetzt an die Arbeit!«
Er empfahl sich den Damen cordial und ging von dannen, froher als er gekommen. Es war verabredet worden, daß er Beide einmal in der Woche ins Theater führen solle. Kathi sträubte sich zwar bei den obwaltenden Zuständen dagegen, überhaupt auszugehn – in ein bekanntes Garten-Etablissement am Weddingplatz, wo sie sich die beiden Male mit Eberhart eine Stunde getroffen, wollte sie begreiflicherweise nicht mehr gehn und kein andres anständiges Restaurant war in der Nähe. Doch mit Rother sollte natürlich eine Ausnahme gemacht werden.
Als der Liebeskranke, der sich, wie ein Verdächtiger zum Ort der That, zum Café Bammer immer wieder hingezogen fühlte, daselbst eines Nachmittags vorsprach, empfing ihn wieder eine neue Mordsgeschichte. Der Hamburger Wirth war dort aufgetaucht, hatte sich viel nach Kathi erkundigt und wurde in den lächerlichsten Farben geschildert. Auch schimpften einige frühere Anbeter Kathi's – darunter ein studentischer Jüngling von achtzehn Jahren der eines »Baron«-Titels genoß – gewaltig auf die verschlagene Jungfrau und malten ihre Falschheit in gräulichen Farben. Rother sagte kein Wort. Am andern Tage lud er verabredetermaßen die »Damen« zu einer Première am Bellealliance-Theater ein, erhielt aber die umgehende Antwort:
»Ihr Schreiben erhalten, doch leider kann ich Ihre freundliche Einladung für Freitag nicht annehmen, weil ich mit meinem zukünftigen Prinzipal, welcher Sonnabend abreist, noch was zu besprechen habe und behufs dessen Obiger Frau Lämmers und mich eingeladen hat zu einem Abschiedsschoppen. Es grüßt bestens Kathi K.«
Dagegen war nun nichts zu sagen. Dennoch fühlte sich Rother bewogen, gleich am Sonnabend Abend das Nähere über den neuaufgetauchten Herrn – »Kohlrausch« war sein werther Name – zu erfahren.
»Wer ist da?« fragte eine sanfte melodische Stimme mit süß girrendem Tone, – als ob sie etwas Liebes erwarte.
»Ich!« erwiderte er mit tiefer Stimme. – Er hörte einen unverständlichen Laut, dann öffnete sie und lud ihn ernsthaft ein, zu ihr hineinzutreten. Die Wirthin sei ausgegangen. Sie trug einen geblümten bunten Schlafrock.
»Ich dachte, Sie wären schon auf und davon?« sagte er kalten Tones.
»O nein, erst am fünfzehnten nächsten Monats.«
»Und was treiben sie hier?«
»Ich lebe in Verzweiflung,« erwiderte sie achselzuckend.
»Brauchen Sie Geld?«
»Nein, ich danke.« –
Sie setzte sich ans Fenster, eine Näharbeit in Händen. Er schritt in der Stube auf und ab, sich ab und zu neben ihr stellend. Sie plauderten wohl eine Stunde lang von allen möglichen Dingen, wobei er ihr viel von seinem Künstlerruhm vorprahlte. Sie hörte aufmerksam und schweigend zu, kluge Bemerkungen dazwischenflechtend. – Nach einer kurzen Pause der Unterhaltung bemerkte er, sie beobachtend, daß ihr Ausdruck umwölkt und finster schien. Er deutete darauf hin.
»Ach, ich habe mich wieder furchtbar ärgern müssen,« gab sie zur Antwort. »Da war so'n Kerl – Einer von denen die immer um mich herumgekrochen sind, – der von meiner Wohnung erfahren von dem Zahlkellner bei Hause. Kommt der Mensch heut hier herauf und schwindelt meiner Wirthin vor, er sei Agent und wolle mir eine fette Stelle verschaffen. Kaum ist er bei mir, holt er ein Etui mit einem goldenen Armband hervor und will mir das umlegen. Quatscht von seiner Liebe und will mich gleich um die Mitte nehmen. Na, dem hab' ich heimgeleuchtet!« Sie lachte bitter in der Erinnerung.
»Was ist denn der?« fragte Rother stirnrunzelnd.
»Ach natürlich so Einer, der nichts zu thun hat, der von seinem Gelde lebt! – Ja, ebenso wie der Andre –« Sie brach ab.
»Welcher Andre?«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen soll. Nun, doch! Da ist so'n ekelhafter reicher Jude, einer von der Maklerbörse – der verfolgt mich schon lange mit seinen Anträgen. Saß immer im Café am Buffet. Endlich hat er herausgebracht, wo ich stecke, und nun bestürmt er mich jeden Tag mit Briefen. Gestern hat er da geschrieben..« Sie zögerte, holte dann ein parfümduftendes Billet hervor und verlas eine reizende Schlangenlockung zum Apfel der Erkenntniß, worin ihr goldene Berge versprochen, wenn sie sich von Herrn Mayer aushalten lasse. Die eleganteste Wohnung stehe schon bereit zu ihrer Verfügung. »Ich will jeden Ihrer Wünsche erfüllen, denn ich bin ein reicher Mann!« schloß das interessante Schriftstück.
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